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Mutternacht

Zwei Briefkästen hatten zur Auswahl gestanden. Ein roter und ein schwarzer. Selbsterklärend, in welchem Schlitz mein verfasster Wunsch verschwunden war. Und jetzt stand ein schwarzes Rentier in meinem Wohnzimmer. Es war wirklich nicht meine Schuld.

Eine BDSM-Geschichte von Onmymind.

  • Info: Veröffentlicht am 21.12.2020 in der Rubrik BDSM.

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Ein schwarzes Rentier stand in meinem Wohnzimmer und es war nicht meine Schuld.

Schuld an dieser Misere hatten meine beste Freundin und die paar Punsche, die ich mit ihr am Weihnachtsmarkt konsumiert hatte. Sie hatte die glorreiche Idee gehabt, einen Brief an den Weihnachtsmann zu schreiben. Weil ich nicht mehr ganz nüchtern gewesen war, hatte sie mich irgendwie dazu überredet, es ihr gleichzutun. Zwei Briefkästen hatten zur Auswahl gestanden. Ein roter und ein schwarzer. Vor dem roten hatte sich eine lange Schlange gebildet und auch Hanna hatte sich schön brav dort eingereiht. Selbsterklärend, in welchem Schlitz mein verfasster Wunsch verschwunden war. Als ich sie anschließend darauf angesprochen hatte, hatte sie mich ausgelacht. Felsenfest war sie davon überzeugt, dass es nur einen Briefkasten gegeben hatte. Im Nachhinein, als ich eins zusammenzählte, würde mir so einiges klar werden. Zu dieser Schlussfolgerung würde ich jedoch erst später kommen. In diesem Moment dachte ich schlicht und einfach an eine Sinnestäuschung. Ich rieb meine Augen, doch das Duo Kopfschmerzen und Rentier waren noch immer da. Auf dem Boden lag mein zersprungener Terrakotta-Übertopf. Das Rentier fraß geräuschvoll das Katzengras meines Katers. Zerstreute Erde lag daneben. Es wiederkäute gemächlich und sah gelangweilt zu meinem Felix hinunter, der fauchend, mit Katzenbuckel und gesträubtem Fell seinen Revieranspruch kundtat. Der Lärm, den die beiden verursacht hatten, hatte mich aus meinem tiefen Schlaf gerissen. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass ich völlig orientierungslos mit abstehenden Haaren aus dem Schlafzimmer gerannt kam. Im flauschigen Flanell-Pyjama meiner Oma, samt roter, gestrickter Rentier Socken - ein Zufall, ich schwöre - war ich zur Salzsäule erstarrt. Ein lautstarkes Rülpsen unterbrach mein Paralleluniversum.

»Verzeihung, wie unhöflich von mir. Ich darf mich vorstellen: Nein Name ist Norbert. Zu dieser frostigen Jahreszeit gleicht es einem Wunder, frisches Gras zu finden, da konnte ich nicht widerstehen. Meine Mägen müssen sich erst umstellen, ich bin nur mehr Trockenfutter gewohnt, deshalb das kleine Bäuerchen.«

Das Bild blieb, obwohl ich ein paar Mal blinzelte. »Ein schwarzes Rentier namens Norbert steht in meinem Wohnzimmer«, brachte ich monoton hervor. Ich hielt meinen pochenden Kopf. »Das ist ein Traum und ich habe einen Kater.« Mein Kater fauchte. »Ich meine nicht dich. Kusch jetzt!«, verjagte ich ihn, indem ich mit dem Fuß aufstampfte. Jämmerlich miauend verkroch er sich unter das Sofa.

»Im Großen und Ganzen eine gute Zusammenfassung, aber da ist noch mehr.«

Ich ließ die Hände sinken. »Noch mehr?«

Norbert nickte vehement, sodass sein schwarzes Ledergeschirr knirschte und dabei ein Pelzmantel, der über seinem Sattel hing, auf den Boden rutschte. Er hob den Mantel mit seinem Maul auf, hielt ihn mir mit gestrecktem Hals entgegen und nuschelte zwischen gefletschten Zähnen: »Schuh muhsch dasch anschien, esch isch kalsch dasch oschen.«

Damit ich ihn verstehen konnte, nahm ich den schweren Mantel entgegen.

»Du musst den Mantel anziehen, es ist kalt da oben«, wiederholte er.

Ich blinzelte wieder.

»Hast du was mit den Augen?«, fragte Norbert.

»Nein, nur mein Verstand ist hinüber oder mir hat jemand Drogen in den Punsch gegeben.«

»Weder noch. Dein Wunsch hat mich hierhergeführt.«

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

02.09.2023 um 23:34 Uhr

Witzig und hot kriegt man nicht oft kombiniert aber du hast es geschafft und die Geschichte hat mich echt beeindruckt!

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Gelöscht.

04.03.2022 um 01:07 Uhr

Sehr fantasievoll, hat was. Gerne mehr.

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21.04.2021 um 20:32 Uhr

Danke für diese schöne Weihnachtsgeschichte.

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Gelöscht.

21.03.2021 um 00:28 Uhr

Ja, ja! Das waren noch Zeiten, da hat Wünschen noch geholfen. Der Punsch war von einer ganz anderen Qualität, damals. Phantasievolle Story, gefällt mir sicher nicht als Einzigem. Danke für die schönen Bilder.

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Gregor

Autor.

08.01.2021 um 18:05 Uhr

Weite in der Vorstellungskraft, Fantasie in der Gestaltung, ein Wunderland im Kopf, Mut zur freien Kopfreise, Lust an besonderer Erotik, ein Herz voller Märchen und Wille zum Schreiben sind die Rezeptur deiner Weihnachtsgeschichte. Das war kein Traumschutt, keine bunten Scherben. Das war Jonglieren im Schnee. Und sauber geschrieben!

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Ronja

Autorin.

02.01.2021 um 03:03 Uhr

Du nimmst mich mit auf eine unglaubliche Reise an einen zauberhaften Ort voller Fantasie. Möchte mich auch in dieses Weihnachtsabenteuer stürzen oder des Nachts solche Träume erleben dürfen. Vor allem, wenn nach dem Aufwachen sogar noch der passende Dom wartet. Vielen lieben Dank für das wundervolle Kopfkino...

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Schattenwölfin

Autorin. Förderer.

01.01.2021 um 10:50 Uhr

Wow ... diese Geschichte macht ganz viel mit mir.

 

Zunächst fühlt sie mir schmerzhaft vor Augen (und das soll es dann gewesen sein mit den Rückblicken auf die coronabedingten Entbehrungen des letzten Jahres), wie gerne ich mit einer oder mehreren Freundinnen einen Punsch (oder zwei, drei, viele) getrunken hätte (oder Wein, Sekt, Bier, sogar Kaffee, Tee und Leitungswasser hätten es getan, hätte es nur die Treffen gegeben).

 

Dann komme ich in den Genuss großen Kinos mit einer verkaterten Sub, einem Kater und einem stattlichen Rentier, Verzeihung: Karibu, am Morgen nach dem Punschgenuss. Die Oskars für die beste animalische Haupt- und Nebenrolle gehen ganz klar an Norbert und Felix.

 

Als Nächstes werde ich nach einem rasanten Ritt mitgenommen in ein kleines Stück heidnische Welt, und das zum wichtigsten Tag überhaupt im Jahreslauf, der Wintersonnenwende.

Das berührt mich in vielerlei Hinsicht. Seit Jahren schlummert der Anfang einer Geschichte, die diesen, von den Elementen und ihrer Wucht geprägten Jahreslauf mit BDSM-Elementen verknüpft, auf meinem Rechner, die allerdings näher an der nordischen Mythologie dran ist als an den Kelten.

An dieser Stelle ein kleiner, einziger Meckerer: (Lektoratsmodus an) Die Runen sind germanische Schriftzeichen, keine keltischen. Das wird gerne verallgemeinert, im Weltweitnetz findet sich leider auch viel Humbug. (Lektoratsmodus aus) Das war mein einziger Hänger und es hat das Lesevergnügen nicht wirklich beeinträchtigt.

Vielmehr bin ich begeistert, wie gelungen hier die Verbindung zweier mir wichtiger Kreise in eine Geschichte eingeflossen ist.

 

Schließlich erfüllt Mutternacht am Ende auch noch ein unerlässliches Kriterium für Weihnachtsgeschichten: Sie ist märchenhaft.

 

Wölfin

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Katika

Autorin.

28.12.2020 um 12:17 Uhr

Liebe Onmymind ,

Eine so wunderschöne, fesselnde, märchenhafte Geschichte.

Ich liebe Märchen und ein so modernes, wirklich schön geschriebenes habe ich lange nicht gelesen. Es war der absolute Genuss.

Ich mag es sehr, wenn so schöne, süchtig machende Veröffentlichungen nicht nur 1000 Wörter haben.

Gerne mehr davon.

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Meister Y

Autor. Förderer.

28.12.2020 um 10:05 Uhr

geändert am 28.12.2020 um 10:16 Uhr

Liebe @Onmymind:, ganz ehrlich, das ist sooo schön  .

Ein wunderbarer Mutternachtstraum der vielleicht gar keiner ist und der einfach wundervoll in die Weihnachtszeit und besonders auf den Tag der Wintersonnenwende passt.

Was so ein Wunsch, eingeworfen in einen schwarzen Briefkasten, nicht alles auslösen kann...

 

Märchen, gern auch moderne Märchen gehören für mich zur Vorweihnachtszeit, zur Zeit der Besinnlichkeit und Vorfreude, untrennbar dazu. Da darf es das Märchenbuch sein, da darf es der Märchenklassiker im Fernsehen sein, ab jetzt gehört diese Geschichte definitiv dazu! Sie ließ mich träumen, mit Norbert fliegen, den Schlitz des schwarzen Briefkastens anheben, sie ist einfach nur toll.

Danke für wundervolle, magische Zeilen, die das Romantikerherz schlagen ließen, die ich überaus gern gelesen habe und wieder lesen werde!

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Hans Bergmann

Autor.

24.12.2020 um 04:28 Uhr

Das ist der rechte Schritt in den Tagen zwischen den Jahren, mit dem Geist des Geistes der verschiedenen Weihnachten auf Gleis 9 3/4 mit Alices Fläschchen Trinkmich in die Zeiten der Druiden zu tauchen und diesen Erzählergeist in BDSM-Geschichten zu gießen und ich bin froh, dass durch Schreiben die Märchen leben, denn genau das tun sie, wenn sie immer neu geschrieben werden, und hier liegt der Geist von Weihnachten im erotischen Kontext und so lebt der Zauber weiter über die Jahre.

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