Weihnachtsstimmung wollte in Karla nicht aufkommen. Zum ersten Mal am Heiligabend feierte sie allein mit ihrem Mann. An den trüben Gedanken konnte auch die traditionelle Wildfütterung nichts ändern. Doch was danach geschah, hatte sie nicht zu träumen gewagt.
Schweigend stapften Uwe und Karla durch den tiefen Neuschnee. Die Dämmerung brach herein, minus siebzehn Grad hatte das Thermometer, das an der Nordseite der alten Eiche hing, angezeigt. Ein Meter Pulverschnee war in der vergangenen Woche gefallen. Inzwischen leuchtete der Mond durch die Zweige der Fichten, brachte den Neuschnee zum Glitzern. Der Schal, den sich Karla um Hals, Mund und Nase gebunden hatte, war vorn gefroren. Außer dem Knirschen des Schnees bei den Schritten war es still im Wald.
Die Kiepe, die Karla auf dem Rücken trug, war schwer. Zusätzlich spürte Karla bei jedem Schritt die Striemen, die ihren Rücken zierten und die sie mit Stolz trug. Uwe, der vor Karla lief, hatte ab und an Probleme, den vollgepackten Schlitten, vor den er sich mit einem Schultergurt gespannt hatte, zu ziehen. Oskar, der junge Deutschkurzhaarrüde, der vor den Beiden lief, versank regelrecht im Pulverschnee und hatte wohl keine Lust mehr, in Fährten von Füchsen, Hasen und Rehen zu schnüffeln.
Karlas Gedanken kreisten um diesen Abend, den Heiligabend. Schwer würde es fallen, das erste Mal ohne Kinder und Enkel, allein mit Uwe, das wusste sie. Daran änderte auch Uwes Versprechen nichts, dass es eine besondere Bescherung in der großen Forsthütte unten im Tal geben würde. Nur, wenn sie kurz an den Vorabend zurückdenken musste, weil eine der Striemen unter der Last der Kiepe besonders schmerzte, umspielte ein Lächeln ihren Mund. Einen Vorgeschmack hatte Uwe es genannt, als er ihr einunddreißig Gertenhiebe auf den Rücken und den Po zählte, sie danach mit seinen geschickten Händen zum Höhepunkt trieb. Lange hatten sie danach vor dem Kamin gesessen, dem Knistern des Feuers zugehört. Vorgeschmack auf diesen Abend? Allein bei dem Gedanken daran kam in Karla ein Gefühlschaos auf.
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