Ausnahmsweise wähle ich mal nicht die direkte Anrede mit »Beste/r Autor/in«, das empfände ich als Angesprochene/r bei dem Überschwang, der nun gleich folgt, als zu nahe tretend, fast anranzend. Ich bleibe also ganz beim Text, ...
... der mich begeistert hat! Es kann ja so viel schief gehen beim Schreiben: Selten passen Idee, Sprache, Form, Entwicklung ideal zusammen, irgend ein Haar schwimmt in der Suppe dann doch immer noch herum. Bei diesem Werk greift alles ineinander wie in einem schweizer Uhrwerk; früher, vor der Swatch.
Der erste Fallstrick wäre gewesen: Einen Sexualakt zu beschreiben. An diesem Wortmonster erkennt man schon Teile des Problems. Kaum ein professioneller Romancier beschreibt noch derlei. Den richtigen Ton zu finden ist kaum mehr möglich. Der Grund - nicht erschrecken! -: es ist zu trivial. Es muss schon einen guten Grund geben, Sexszenen zu beschreiben außerhalb der Pornographie, Gebrauchsliteratur oder Dilettantismus. So wie es einen guten Grund geben müsste, jemanden beim Zähneputzen zuzuschauen.
Im vorliegenden Text gibt es aber den guten Grund. Denn es geht um genau dieses Thema: Wie kann ich meine Gefühle zeigen, die ich empfinde. Wie komme ich hinter meiner Fassade hervor? Wie kann ich meine Befriedigung mit jemandem teilen? Oder noch drastischer: Warum macht mein Orgasmus gerade dann die Biege, wenn er zum Greifen nah ist?
In diesem Text gab es also kein Ausweichen vor Sexszene *g. Mutig.
Der nächste Fallstrick wäre gewesen: Abwinken seitens des Lesers. Nicht schon wieder dieses Herumgeschwitze. Hatte ich erst; heute morgen. Und dann noch die Worte finden, die weder abgenudelt noch schwülstig sind. Beides wirkte gezwungen.
Ich habe jedes Wort genossen!
Der nächste Fallstrick: Die Autorenstimme. Wenn es nicht abgenudelt klingen soll, muss der Autor eigene Worte finden. Da ist immer eine klitzekleine Selbstentblößung dabei, sonst wirkt es zurechtgezimmert. Auch wenn es Erfindung ist, es bleibt die eigene Sprache.
Als ich den Text las, fühlte ich mich an diese ASMR-Audios erinnert, oder wie die heißen, in denen die Stimme, der Atem, ganz nah ans Ohr herankommt. Wohlige Gänsehaut! In diesem Text hat eine Autorin ihre Schreibstimme gefunden, und wie.
Tja, so eine Liebhaberin wie im Text wünscht man sich, die mit ganzem Körpereinsatz heranrückt, kein Detail auslässt, und offenbar genießen kann. (Das ist, nach meinem Eindruck, die einzige Erfindung in diesem Text).
Eines kann sie nicht: Hinter ihrer Porzellan-Fassade hervortreten. Die Expression von Gefühlen! Da hilft auch der Genuss nicht.
Herrje, so ungeläufig ist das doch nicht. Dafür gibt es so viele Ursachen. Nicht wenige Menschen leiden darunter. Die harmloseste ist noch die der Verbildet- oder Verkopftheit. (Vielleicht stammt daher das frühere böse Akronym DFG, dumm fickt gut). Wo keine Hemmungen sind, fließen die Gefühle.
In diesem Text fließen die Gefühle erst dann, wenn sie hervorgezwungen werden. Diesmal mit Ohrfeigen. Na und? Eine Erlösung in diesem Kerker. Kein Dammbruch kommt von allein. Und wer überhaupt keinen Damm eingebaut hat, kann sich glücklich schätzen.
Ein wunder-, wundervoller Text, in dem einfach alles aufeinander abgestimmt ist.
Leider zu schön, um wahr zu sein: Er meißelt ein Ideal einer Partnerschaft, wenn soviel Kenntnis voneinander ist, dass so eine Ohrfeigenorgie möglich ist. Nebenbei: Das ist m.E. der einzig wirklich sinnvolle Anlass, bdsm-ig zu Werke zu gehen.
Gratulation zu diesem Text, Campanula.
Er hebt den Klassendurchschnitt *g.
Ich find, so ein Text ist ein gutes Argument für das Betreiben dieser Web-Seite. Er gehört ins Schaufenster.