Kapitel 5 - Verbundenheit
»Lass Kassandra da raus!«, herrschte er über den Tisch hinweg, doch Tessa blieb sichtlich unbeeindruckt. Stattdessen lud sie sich einen großen Schlag von ihrer heißgeliebten Kartoffelpfanne in den Teller und grinste frech zurück.
»Ach, komm schon! Hatte Kass nur einmal Kleidung bei dir an?«
»Das ist etwas völlig anderes, sie ist jemand völlig anderes«, fauchte er angriffslustig zurück. »Wie kannst du die beiden einfach so vergleichen? Kassandra ist nicht Ellie! Ellie ist nicht Kassandra. In keiner Weise!«
»Ich dachte immer, das wäre dir sehr wichtig.« Tessa musterte El auf eine unverhohlen hochmütige Weise, die ihr ein flaues Gefühl in die Magengegend jagte. So einschüchternd dominant hatte sie ihre Schwester noch nie zuvor erlebt. »Echt schade bei dem Körper, es würde so wunderbar passen! Allein ihre Brüste sind so wohlgeformt, am liebsten würde ich ...«
»Genug jetzt, Teresia! Genug!« Drohend hielt er ihr seine Gabel, auf der eine dampfende Tomate aufgespießt war, entgegen. »Das ist und bleibt unsere Sache!«
Ehrfurchtsvoll schweigend verfolgte El den scharfen Wortwechsel und versuchte, die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Allein schon, dass Tessa nicht mal mit den Wimpern zuckte, wenn er sie Teresia nannte, brachte ihr gesamtes Weltbild ins Wanken. Früher wäre Tessa dabei so richtig ausgerastet, als hätte man sie aufs Mark beleidigt. Damals hatte sie auch immer so blumig-etepetete Kleidung gewählt. Nun saß sie ihr in unverkennbar klischeehafter schwarzer Lederkluft so selbstverständlich gegenüber, als wäre sie darin geboren worden. Und das soll meine heitere Schwester sein? Wer hat sie bloß in diese diabolische Dämonin verwandelt, die mich nackt haben möchte? Durchtrieben war sie schon immer irgendwie, aber so sehr? Ist das alles bloß ein Streich oder eine ihrer bescheuerten Wetten, die sie verloren - oder sogar gewonnen - hat? Verdammter Quatsch! Das ergibt doch keinerlei Sinn!
»Iss, El«, forderte ihr Herr sie beiläufig auf, während er Tessa erklärte, wie sie ihm beim Zubereiten der Speisen geholfen hatte.
Das musst du doch nicht so detailgetreu erzählen, oder? Ach, egal ... und die Kartoffelpfanne versteht sich ja jetzt von selbst ... Tessa steht sehr auf solche Kartoffelgerichte.
El starrte missmutig auf das fettige Gemüse, das halb von Soße ertränkt in ihrem Suppenteller keinen genüsslichen Eindruck erweckte. Sie schielte zu den Kartoffeln, doch sie wagte es nicht, das Gespräch der beiden zu unterbrechen. Er wollte nicht, dass sie etwas sagte und sicherlich hatte er ihr ganz bewusst nur Gemüse eingeschöpft. Außerdem konnte sie schon froh sein, dass er ihr die Wahl gelassen hatte, neben ihm zu knien oder auf einem Stuhl sitzen zu dürfen. Wäre Tessa nicht anwesend, wäre ihr diese Wahl wesentlich schwerer gefallen. Ich kann es jederzeit beenden, ein Johanna von mir und es ist vorbei. Doch warum zum Teufel will ich das einfach nicht? Und warum fühlt es sich so spannend und aufregend an?!
Während er ihre Schwester nach Neuigkeiten ausfragte, tauchte El zögerlich den Löffel ein und kostete etwas, das verdächtig nach Brokkoli aussah. Innerlich seufzte sie selig und nahm zügig einen zweiten feuchten Bissen davon. Was auch immer er mit den Kräutern angestellt hat, es schmeckt viel besser als es aussieht - zumindest für Gemüse.
»Wow, ich kann sie kaum wiedererkennen«, unterbrach Tessa kichernd ihr Gespräch mit Johann. »Wie artig sie dir folgt; so still und leise kenne ich sie kaum; sogar Gemüse isst sie, als wäre es ihre Leibspeise. Du hast deine Sub echt im Griff, Jo. Freut mich für euch!«
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