Träume eines Models
Du gibst dich oft zurückhaltend, manchmal sogar kühl und distanziert. Spielst gern die feine, aber prüde Lady, damit dir niemand zu nahe kommt. Vielleicht ist es wegen deiner Karriere als Model? Oh, sehe ich da etwa Erstaunen? Ja, ich weiß es, ich lese viel und sehe mir gern Bilder an, vor allem die von dir, die sind so weiblich!
Eine BDSM-Geschichte von Jean Philippe und Wolke Safini.
Info: Veröffentlicht am 26.02.2008 in der Rubrik BDSM.
Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.
An einem Freitag Abend, kurz vor Sonnenuntergang, schloss Chayenne ihre Bürotür ab. Es war eine harte Woche gewesen. Erst die schwierige Auswahl der Modefotos für den Onlinekatalog einer Fetishboutique, dazu noch ein Interview mit hochnäsigen Schmierfinken der lokalen Tagespresse, weil der frisch verlängerte Modelvertrag jemandem zu Ohren kam, der sein freches Mundwerk nicht halten konnte. Es ging immer nur um eines: Klatsch zu vermeiden, denn auf dem Titelbild unseriöser Blätter wollte und durfte sie nicht landen. Das war nicht ihr Ziel, und sollte es doch einmal so weit kommen, dann hoffentlich erst in einer fernen Zukunft.
Leise trat sie aus dem Hauptgebäude von FFM - Fetish Fantasies and more...- Fotodesign, in dem gleich ein Dutzend Studios untergebracht waren, und wo auch jedes Model eine eigene Umkleide sowie ein eigenes Arbeitszimmer hatte. Sie jobbte nun schon fast zwei Jahre hier, das war nicht ganz so lange, wie es diesen Ableger der ursprünglich aus England stammenden Agentur gab, aber doch genug Zeit, um sich richtig gut einzuleben. Ihr Heimweg war nicht weit, ganze drei Stationen mit der Metro, vielleicht fünfzehn Minuten, in denen sie versuchte, ein wenig abzuschalten. Dabei starrte sie aus dem Fenster hinaus in kalte, leere, ausgestorbene U-Bahnschächte und sah doch sich selbst als mattes Spiegelbild auf dem Glas. Ihre Augen glichen denen einer schönen Thailänderin, die Lippen waren geschwungen und voll, nicht schmal oder gar zierlich, sondern lebendig, begehrenswert. Ein Mund zum Küssen, nicht zum Reden, so sagten es ihr die Männer, allen voran André.
Die Metro kam kreischend zum Stillstand, Türen öffneten sich, Menschen über Menschen strömten erst hinaus, dann wieder hinein. Ein gut aussehender junger Mann lächelte ihr zu, bevor er eine Ausgabe des ‚Journal de Paris’ aufschlug und da war er auch schon wieder, der Gedanke an die hochnäsigen Schmierfinken der Tagespresse.
Nur eine Station noch, dann stieg sie aus der Bahn und lief schnell zur nächsten Rolltreppe. Das Transportband beförderte sie hinauf, dem schwindenden Tageslicht entgegen, und kalte Zugluft spielte mit ihrem langen schwarzen Haar. Schnell noch ein Baguette geholt, vielleicht Käse dazu, eine Flasche Rotwein und ab nach Hause.
Diesmal benutzte sie den Lift, fünfzehn Stockwerke Treppen steigen, das konnte einem gewaltig den Atem rauben, da die Luft in Paris oft muffig und abgestanden roch. Ihren Atem konnte sie sich heute sparen, doch ob sie ihren Augen noch trauen durfte, da war sie sich nicht ganz so sicher: Nanu, ein Päckchen aus Deutschland vor ihrer Wohnungstür?
Die Herkunft des Landes erkannte sie an dem großen Aufkleber, aber es befand sich kein Absender darauf. Nur der Schriftzug ‚TOXYD’ kam ihr bekannt vor. Sie dachte darüber nach und gelangte zu dem Schluss, dass es etwas mit ihrem Job als Model zu tun haben könnte. Schon ein wenig neugierig trug sie das Paket mit in die Wohnung, dann öffnete sie den Wein und schnitt Käse auf. Ihre Gedanken kreisten weiterhin um die mysteriöse Postlieferung. Was würde sich wohl darin befinden, und vor allem, von wem war es? Langsam sortierte sie alle Bekanntschaften und deren Charaktere, aber es wollte einfach niemand in Frage kommen, der ihr irgend etwas aus freien Stücken zusenden würde. Immer noch grübelnd nahm sie das Weinglas zur Hand und ging hinüber, auf ihr großes Wohnzimmerfenster zu. In der Ferne leuchtete der Eifelturm in all seiner Pracht. So ist Paris eben, die Stadt der Liebe, ein Ort der Wunder, an dem geheimnisumwobene Post einfach so vor der Haustür lag...
Der Wein war gut, kräftig im Geschmack und weich im Abgang. Sie schloss die Augen und dachte an leichte, melodische französische Straßenmusik, wie sie in den einschlägigen Cafés oft gespielt wurde. Erst vor wenigen Tagen war sie in einem solchen Café gewesen, neben ihr saß André, der noch nichts von ihrer Tätigkeit als Model wusste, da sie sich erst vor etwa zwei Wochen kennen gelernt hatten. André, der immerzu an ihr herum fummelte und dabei flirtete, was das Zeug hielt. Er war so aufdringlich, arrogant und selbstsicher gewesen, als wenn er sie schon an einem ganz anderen Ort wusste...
Plötzlich verstummte die sanftmütige Musik in ihrem Kopf, und nur ein leichtes Brummen blieb zurück. Nein, an André hätte sie jetzt besser nicht gedacht, für ihn gab es keinen Platz in einem Leben als internationales Topmodel. Seine Annährungsversuche waren zwecklos, und die Situation verlangte nach einer sinnvollen Lösung, die darin bestand, so weiter zu machen wie bisher. Zielstrebig, elegant, verführerisch, und..., so schwer es auch fällt, ...aber als Single war es am besten.
Den Gedanken fallen lassend, jedoch ein wenig verstimmt, so lief sie zurück in die Küche, um ein Messer zu holen. Das Päckchen wartete noch immer geduldig darauf, sein Geheimnis Preis zu geben. Kein Name, keine weitere Beschriftung, wie sonderbar? Der kalte Stahl zerschnitt den Karton, vorsichtig, gewissenhaft, und dann offenbarte sich auch schon der Inhalt: Ein langes, schwarzes, tailliertes Latexkleid mit kurzem Arm und Zippverschluss! Was für ein Anblick, sie musste lächeln, denn genau so eines wollte sie sich schon immer zulegen. Schnell klemmte sie sich das feine Teil unter den linken Arm und eilte vor einen großen Spiegel, um die Güte des Materials genauer zu betrachten. Sie hielt das Kleid direkt vor ihren schlanken Oberkörper, begann sich damit schwungvoll im Kreis zu drehen..., oh je, es gefiel ihr, sehr sogar.
Etwa eine Minute später beugte sie ihren Kopf ein weiteres mal über den großen Karton, um zu sehen, was es noch zu entdecken gab: Eine Leder-Corsage mit eingearbeiteten Formingstäbchen und abnehmbaren Strapsen, sowie ein langer, abgesteppter Schal aus schwarzem Glanz-Satin.
Voller Vorfreude ließ sie warmes Wasser in die Badewanne ein. Nach einem langen Arbeitstag sollte ein wenig Körperpflege nicht fehl am Platz sein, und gerade wenn man neue Latexkleidung anprobierte, war Sauberkeit sehr wichtig. In ihrem Kopf spukte während der ganzen Zeit immer wieder der Brief umher, welcher sich noch mit in der Postsendung befand:
Sehr geehrte Frau Chayenne Montiniere,
da sie als Model bei FFM Fotodesign schon ausreichend Erfahrung sammeln konnten, haben wir Sie dazu auserwählt, unsere Kollektion auf dem diesjährigen FetishEvolution Weekend vom 21.03.2008 bis zum 23.03.2008 in Essen vorzuführen! Die Modenschauen finden am Sonnabend und Sonntag jeweils von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr statt. Im Anschluss daran haben sie noch die Möglichkeit, an einem Fotoshooting mit Hans Gössing teilzunehmen, der Sie gern in sein Projekt M-MAYBE-NOT.COM aufnehmen wird.
Für weitere Fragen betreffend einer Übernachtung sowie des Honorars stehen wir ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
das ‚TOXYD’ Team
Was für eine Einladung! Mit einem schneeweißen Handtuch stand sie in der feuchtwarmen Zimmerluft, um sich sorgfältig abzutrocknen. Das Tuch aus reiner Baumwolle glitt sanft über ihre Haut, es war so weich und flauschig, und der frische Geruch einer Körperlotion lag ihr auf der Nase, gleich des Duftes blühenden Flieders. Leise summte sie eine verträumte Melodie, dann trocknete sie ihr Haar mit dem Fön, woraufhin sie die Lippen mit hellblauem Lippenstift benetzte. Sie dachte sich, es könne nichts schaden, ihr Äußeres so weit zu vervollständigen, dass man glauben könnte, ein Auftritt auf dem Laufsteg stehe unmittelbar bevor.
Sie benutzte Puder, um den Wangen einen weichen Teint zu verleihen, künstliche Wimpern auch Lidschatten, dann war ihr Werk vollbracht: Ein Gesicht, so feinfühlig und begehrenswert, als sei es das einer nicht ganz unschuldigen Elfe. Nun fehlte nur noch das Kleid, aber auch in dieses, wie in ihre Rolle als Model, konnte sie problemlos schlüpfen. Es ging so leicht und geschmeidig, fast wie im Trance, ...einfach himmlisch. Nicht nur im Geiste begann sie mit ihren Fingerspitzen über den Stoff zu gleiten, nein, auch ihre Brüste, sowie ihre Scham konnten diese spüren. Es dauerte gar nicht all zu lange, dann waren sie überall, auflodernde Lust entlockte ihrem Mund ein leises Stöhnen, sie schloss die Augen und dachte an... André, der bestimmt schon das dritte Mal an ihre Wohnungstür klingelte... !
Ihr war, als habe man sie bei etwas Verbotenem erwischt. Ein wenig irritiert lief sie zur Tür, und tatsächlich, es war André. Wie er im Flur stand, in seinem schweren Ledermantel - lag da wirklich ein leicht belustigtes Lächeln auf den Lippen, oder täuschte sie sich nur, vielleicht wegen der schwachen Beleuchtung... ?
'Guten Abend, Mademoiselle Losier, ich bin überrascht. Ihr Outfit, Sie sehen umwerfend aus. Allerdings, ähm gestatten Sie mir die Anmerkung..., es fehlen noch ein paar Strapse, sowie die passenden Schuhe, ...zum Beispiel Highheels?'
'André, oh je, an Dich habe ich gar nicht mehr gedacht. Wie, Strapse..., Highheels..., vielleicht noch irgendwelche exotischen Wünsche?'
'Ja klar doch, Lachs und Kaviar zum Abendbrot, beides habe ich gleich mitgebracht, liebe Chayenne.'
Zu spät, er war schon über die Türschwelle getreten. Nein, stolziert, dieser Ausdruck passte besser zu seiner Gangart. Was wollte er hier? Ach ja, er hatte sich für heute Abend zum Essen angemeldet. Alles mal wieder einer dieser - ich lade mich selbst ein - Momente von ihm. Sie kannte das schon, ohne es ernst zu nehmen, bis jetzt jedenfalls.
Mittlerweile steuerte er direkt - und natürlich ohne höflich zu fragen, ob er es denn auch betreten dürfe - auf ihr Schlafzimmer zu, um darin zu verschwinden. Sie wartete, eine Minute, vielleicht zwei, dann kam er mit weißen Nylons und ein paar durchscheinenden Pumps wieder heraus.
'Hier Chayenne, diese scheinen mir genau die Richtigen zu sein! Oh..., nun sieh mich doch nicht so an. Du willst bestimmt, dass dein Auftritt perfekt wird, oder? Los, los, da ist das Bad, hier sind die Sachen, ein bisschen mehr Leidenschaft, wenn ich bitten darf... ?!'
Wenn ich bitten darf?! Oh je, das war bestimmt keine Frage, nicht in dem Ton, ...oder? Und was macht eigentlich seine Hand an meinem Hinterteil? Mich in das Badezimmer schieben? Was ist nur mit mir geschehen, dass ich mich so herumkommandieren lasse?
Fragen über Fragen, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass sie ihm gehorchte. Sie stand da, wo er sie hin delegiert hatte, mit der linken Hand die Strapse und mit der rechten ihre durchscheinenden Pumps in PVC Optik haltend. Entweder jetzt oder nie, sie musste sich entscheiden!
Als ihre verführerische Kleidung an Ort und Stelle saß, erklang im Wohnzimmer Musik. Es spielte eine alte Platte von Chris Isaak, worauf sich der Titel ‚Wicked Game’ befand. Sie mochte das Lied, es war sehr harmonisch, gewiss sogar romantisch, und sie kannte den richtigen Schritt zum Takt: Mit einer zarten Lässigkeit, ja fast schon lasziv, verließ sie das Bad und schritt durch den Raum, bis an ihr Fenster mit Blick auf Paris’ Wahrzeichen Nummer 1. Sie schmunzelte ein wenig und sah auf André hinab, der an einem fertig gedeckten Tisch saß. Wie schnell er sich hier auskennt – alles Intuition? War er von ihrem Auftritt beeindruckt? Verspürte er gar Verlangen? An seiner Reaktion jedenfalls konnte man es nicht ablesen, aber sie glaubte, den Ansatz einer Erektion zu erkennen. Er stand auf, trat neben sie, um an ihr zu riechen. Der Duft ‚Midnight Poison’ von Dior war unverkennbar weiblich. Dann ergriff er ihr Handgelenk, riskierte einen Blick direkt in ihre Augen, und schon führte er sie zu einem alten, mit Leder bezogenen Stuhl. So funktionierte das nicht, dachte sie, aber irgendwie schon, denn immer wenn er am längeren Hebel zog, ruhte sein Gesicht in friedlichen Zügen.
Er befestigte mit einem Tuch ihre Arme und Beine, verband sie mit dem Holz des in die Jahre gekommenen Stuhles. Sie kannte diese reißfesten Teile aus rotem Stoff, es waren ihre eigenen. Er musste sie unter der Wäsche entdeckt haben, da sie ihre Dessous oftmals mit den Spielsachen zusammen aufbewahrte. Frauen sind neugierige Wesen, aber einem richtigen Mann im Haus bleibt nichts lange verborgen. Nur noch der abgesteppte Schal aus dem Karton fehlte, doch auch dieser wurde geschwind mit in die kleine Session einbezogen, ganz weich legte er sich über ihre Augen. Seine Lippen waren ganz nah an ihrem Ohr:
‚Es gefällt Dir, nicht wahr, Chayenne? Du gibst Dich oft zurückhaltend, manchmal sogar kühl und distanziert. Spielst gern die feine, aber prüde Lady, damit Dir ja niemand zu nah kommt. Vielleicht ist es wegen Deiner Karriere als Model? Oh, sehe ich da etwa Erstaunen? Ja, ich weiß es, ich lese viel und sehe mir gern Bilder an, vor allem die von Dir, die sind so... weiblich!’
Er ging um sie herum, langsam, dabei glitten seine Hände sanft über das schwarze Kleid, und die Finger spielten fortlaufend an ihrer Brust, so als wollte er jeden Moment in die zarten Nippel kneifen. Küsse versanken in ihrem Nacken, so dass ein heißkalter Schauer nach dem anderen über ihren Rücken jagte. Sie konnte nicht anders, sie musste leise stöhnen, nur dass es diesmal noch lebendiger klang als beim ersten Mal vor dem Spiegel, wo sie das schöne Kleid anprobiert hatte. Dann war er einmal die volle Runde um sie herum geschlichen und sagte:
„Dafür werde ich Dich bestrafen, meine kleine Chayenne! Nein, nicht wegen der Fotografien, Dein Job bereitet Dir Freude. Aber wegen Deiner vor Dir selbst verheimlichten Gefühle. Der Unfähigkeit, die Wahrheit zu erkennen. Wann findest Du endlich zu Dir selbst, ...ich würde Dich so gern mit auf die Reise nehmen. Eine Reise voller Schmerz, Lust, Lustschmerz und Wolllust. Gib Dich mir hin, lass Dich fallen und ich, ...ich werde Dich führen. Du musst Dich entscheiden, jetzt oder nie? Wenn ich in den nächsten Wochen allein nach Deutschland zum FetishEvolution Weekend fahre, was soll ich meinen Freunden vom ‚TOXYD’-Team sagen? Dass alles umsonst war... ?“
Dieser Text wurde als Beitrag zum Gewinnspiel 'TOXYD' im Februar 2008 eingesandt. (»Geschichtenwettbewerb: Leidenschaft von und mit TOXYD«)