In einer rasanten Geschwindigkeit werde ich dein Leben ändern. Wir machen eine Verbalsession. Ich stürze dich in den Abgrund und fange dich auf. Alles passiert real. In einer halben Stunde drehe ich dein Leben. Hast du Lust?
Mitten durch die große Stadt fließt ein Kanal. Vom frühen März bis in den späten November hinein dröhnen die Diesel kleinerer Ausflugsschiffe an mir vorüber. Am Ufer, vom Café aus, beobachte ich Menschen, die auf der Ufermauer sitzen. Sie lesen, lieben die Nähe des Wassers. Ich bin auf meinem Platz am Fenster, habe Freude an den Leuten am Kanal. Da gehen sie mit Hunden, mit Aktentaschen, Partnern, mit Rucksäcken und Handys. Das Café befindet sich im Erdgeschoss eines Hauses mit vier Etagen und einem gepflasterten Vorgarten, in dem in warmen Jahreszeiten Tische und Stühle stehen.
Bis vor einigen Monaten saß ich täglich zwei Stunden im Café, nahm dort zwischen zwölf und zwei Uhr meine Auszeit, las Zeitung, trank Cappuccini, ein Wasser und einen Espresso. Zwischendurch bestellte ich mir ein Stück Kuchen und zum Ende meiner Pause einen Kakao. Im Café hatte ich Zeit für mich und so sollte es bleiben.
Nadja respektierte meine Pause. Das ist nicht selbstverständlich, denn ich hatte klare Aufgaben. Erfüllte ich meine Pflichten nicht, ahndete Nadja das in einer Weise, die mir nicht immer gefiel. Sie war da sehr eigen.
Meine Pflicht begann jeden Morgen um vier Uhr mit der ›Ode an die Freude‹ aus meinem Handy. Zehn Minuten später eilte ich von meiner kleinen Wohnung im Dachgeschoss hinunter in den Frühstücksraum, kontrollierte die Tische, das Buffet, begann mit den Frühstücksvorbereitungen. Ich prüfte unsere Lebensmittel, half dem Bäcker, seine Kisten mit Brot und Brötchen vom Lieferwagen in die Küche zu schaffen. Fünf Uhr dreißig begannen unsere Küchenkräfte ihre Arbeit, ab sechs Uhr stand unser Frühstücksbuffet. Bis elf Uhr boten wir Käse, Obst, frische Brötchen, Lachs, Rührei, Marmeladen, Säfte, Prosecco, Mineralwasser und Kaffee. Mit Reinigungsarbeiten verjagten wir die späten Frühstücker und spätestens zwölf Uhr lagen die weißen Decken auf den Tischen und unser Frühstücksraum zeigte sich bereit für den nächsten Tag.
Nadja und ich betrieben ein kleines Hotel garni, fünfzig Zimmer, mitten in der Stadt.
Unsere Auslastung lag bei neunzig Prozent. Wir konnten von dem Hotel leben, Nadja besser als ich, doch Grund zur Klage gab es keinen, weil Nadja mich in einer prekären Situation vor der Insolvenz rettete. Durch eigene Kalkulationsfehler hatte ich beinahe alles verloren. Bis vor drei Jahren betrieb ich das Hotel allein, eine bessere Absteige mit Gemeinschaftsbädern. Ich wollte mein Haus erneuern, hatte mich dabei heftig übernommen, den Umbau der alten Pension finanziell völlig unterschätzt und stand kurz vor der Pleite. Bis auf einen Berg Schulden wäre mir nichts geblieben, aber glücklicherweise bekam ich ein Angebot von Nadja.
Nadja war meine strenge Freundin, die ich einmal wöchentlich besuchte. Durch die Art unserer Beziehung ergab sich ein besonderes Vertrauensverhältnis, auch wenn ich sie für ihre Leistungen als Domina bezahlte. Sie war Dienstleisterin, ich ihr Kunde.
Danke, liebe hanne lotte für Lesen und Gedanken zu meiner Geschichte an einem späten Weihnachtsabend. Ich denke momentan über die Unterschiede in der Emotionalität weiblicher und männlicher Subs in Bezug zum dominanten Partner nach. Das ist ein interessantes Thema, sicher überwiegend nur individuell zu erklären, aber in Tendenzen vielleicht allgemein begründbar.
Ich mache einen Blog zum Thema, denke, das trifft allgemeines Interesse.
Wie so oft sind mir die Phantasien in deinen Geschichten zu hart, doch die Geschichte lädt mich ein, ich von den Details zu lösen und den Blick zu weiten.
Hier sehe ich einen mit sich und der Welt zufriedenen Mann mit submissiver Neigung. Er hat sich eingerichtet in seinem Leben, hält sich für einen Glückspilz. Das ist jetzt für die Ewigkeit.
Mir ist auch aufgefallen, dass männliche Subs - ja, das ist vielleicht nur mein Eindruck - mit deutlich weniger Emotion auskommen, als es mir wichtig wäre. Dominante Frauen erscheinen mir oft kalt und narzisstisch. Von Liebe ist eigentlich nie die Rede. Auch damit konnte Gregor gut leben. Und war überrascht, als dieser Aspekt ins Spiel kam.
Und so wie selten etwas für die Ewigkeit ist, gibt es auch immer wieder überraschende Wendungen, manche schlimmen Dinge bieten ungeahnte Chancen.
Das auch eine Botschaft, ja.
Ich fand den Text nicht hart, überhaupt nicht. Da hat ein Topf einen passenderen Deckel gefunden und ich glaube, Gregor ist froh, aus dem Einerlei entkommen und im Leben angekommen zu sein.
Da weiß jemand, wovon er schreibt. Und wie. Sehr löblich, Gregor, der Text hat mir ein Lächeln gezaubert. Und gezeigt, dass es sie noch gibt, die Männer, zu denen es sich herabzuschauen auch lohnt.
Da hat man sich arrangiert mit der Situation, ja geradezu gemütlich eingerichtet und die Rückschläge der Vergangenheit haben sich - alles in Allem - ins Positive gewandelt.
Alles scheint geregelt, Routine eben…
… so dachte ich, machte es mir bequem auf der Couch und fragte mich beim Lesen… kommt da noch was?
… und dann von einem Absatz zum anderen brach die Hölle los und riss mich mit in eine spannende, ja fast schon brutale Welt, die für mich - obwohl submissiver Neigung - dann doch jenseits meiner persönlichen Grenzen liegt… aber es war Spannung pur.
Klasse geschrieben, packend, auch wenn mir beide Protagonistinnen nicht wirklich sympathisch sind. Ist halt nicht "my cup of tea". Ob seine neue Herrin ihn wirklich liebt? Vielleicht in ihrer ganz eigenen Art und Weise. Und möglicherweise hat ja jetzt auch der Topf einen passenden, passenderen Deckel gefunden.
ich mag Deine elegischen Geschichtenanfänge. So wünsche ich mir Romananfänge. So könnte es ewig weitergehen. Wie in einem französischen Film, in dem viel gequasselt wird und wenig passiert.
Nur, ich weiß inzwischen leider, dass diese Eröffnungen die Ruhe vor dem Sturm sind. Ist hart, was dann folgt.
Zunächst dachte ich, dieser Gregor würde einer Prüfung seitens Nadja unterzogen, ob er treu ist; und ob er anderer Leute Worte mehr Glauben schenkt als denen seiner Herrin. Allzu leicht lässt er sich Abwerben. Obwohl "Liebe" ja ein schlagender Grund ist. Dass er unüberprüft mehr diesem Ruf folgt und weniger einem vertraglichen Arrangement, sagt viel über diese Person und in mir regt sich Rührung und Mitleid, denn ein solcher Sklave ist gefundenes Fressen für Geier. In dem Licht erscheinen mir die beiden Weiber wie Aasgeier. Dass man sich beim Lieben immer auch ausliefert, geht über die spezielle Neigung in dieser Geschichte weit hinaus, die so krass daherkommt.
An Deiner Geschichte mag ich, dass sie nicht nur Neigungs-Porn ist, sondern für jeden lesbar; und damit mehr als nur Gebrauchsliteratur (die ich damit aber nicht abwerten möchte, alles zu seiner Zeit).