1.
»Danke für den schönen Abend, Simon«, sagte sie und berührte kurz meine Hand, die mit dem Henkel der leeren Espresso-Tasse spielte. »Ich möchte jetzt gehen.«
Nein, das war kein Date. Ich date nicht mehr, seitdem ich mit meinen letzten Freundinnen nur üble Erfahrungen gemacht habe. Nein, es war einfach ein schönes Abendessen im Restaurant mit Alex, einer guten Freundin, mit der ich mich sehr gut verstand.
»Ich fand es auch schön. Ich muss dir danken«, sagte ich zu ihr.
Ich sah ihr noch ein letztes Mal ins Gesicht. Sie war hübsch auf ihre Art. Bei diesen Topmodel-Shows hätte sie keine Chance gehabt, aber sie hatte ein so markantes, spezielles Gesicht; etwas kantig, aber mit einem entwaffnenden Lächeln. Und besonders süß fand ich ihre Grübchen, wenn sie lächelte.
Nein, es war wirklich kein Date. Wir trafen uns immer mal wieder zum Essen oder ins Kino, aber ohne Hintergedanken. Früher erzählte sie mir auch gelegentlich von ihren Beziehungen und schüttete mir bei Problemen ihr Herz aus, in letzter Zeit jedoch weniger. Ich erzählte in dieser Richtung praktisch nichts, denn es gab eigentlich nicht viel zu erzählen. Ich hatte keine Beziehung. Punkt. Und alle bisherigen (soweit man dabei überhaupt von ›Beziehung‹ reden konnte) waren ein Desaster. Nichts, womit ich eine andere Frau - und besonders Alex - belästigen wollte.
»Begleitest Du mich noch?«, fragte sie, während sie sich ihre Jacke anzog.
»Gerne.« Ich hielt ihr die Tür auf und wir traten nach draußen.
Sie war einen Kopf kleiner als ich und zierlich. Ja, fast schon mager. Frauliche Kurven suchte man an ihr vergebens; sie war mehr der androgyne Typ, was sie durch ihre Kurzhaarfrisur noch unterstrich. Ich fand sie trotzdem süß, aber das spielte ja keine Rolle, denn wir hatten kein Date.
Wir gingen nebeneinander her und sie erzählte mir von den aktuellen Problemen in der Küche. Sie war Hauswirtschaftsleiterin in einem Altersheim. Dort hatten wir uns auch zum ersten Mal kennengelernt. Sie war damals noch einfache Hauswirtschaftlerin, ich zu dieser Zeit dort Zivi.
»Es ist ganz schön frisch geworden« meinte sie plötzlich.
»Ist Dir kalt?«
»Ja, schon ein wenig. Lass uns schneller gehen.«
»Warte.« Ich zog meine Jacke aus und legte sie ihr über ihre schmalen Schultern.
»Danke! Ist dir jetzt nicht kalt?«
»Es geht so. Wir haben es ja nicht mehr weit.«
Wir liefen weiter und Alex ging sehr dicht neben mir. Um sie zu wärmen, legte ich meinen Arm um ihre Schulter und rieb ihren Arm, um die Durchblutung anzuregen. Sie wies mich nicht ab.
»Dir ist doch kalt«, stellte sie fest, als wir ihre Haustür erreichten. »Magst du noch mit hinaufkommen? Ich mache uns einen Tee zum Aufwärmen.«
Ich wollte eigentlich nicht. Klar, ich war schon ein paarmal bei ihr, aber noch nie nach einem gemeinsamen Abend. Wir hatten kein Date, ich wollte kein Date. Ich wollte auch keinen peinlichen Moment.
»Komm, ich beiße dich nicht. Ich habe schon gegessen.« Sie lächelte mich an und in dem fahlen Laternenlicht sahen ihre Grübchen noch tiefer aus als sonst. Wie konnte ich diesem Lächeln widerstehen?
»Gut, ein Tee zum Aufwärmen. Aber dann muss ich gehen.«
Sie zog die Jacke aus und hängte sie an die Garderobe. Dann folgte ich ihr in die Küche, wo sie Wasser für den Tee aufsetzte.
»Setz dich, wo du magst.« Sie bot mir einen Stuhl am kleinen Küchentisch an. Ich setzte mich und sie holte Tassen, Teebeutel und Zucker und nahm gegenüber Platz. Als der Kessel pfiff, schüttete sie uns beiden ein.
Wir saßen eine Weile schweigend am Tisch, die Hände zum Wärmen um die Tassen gelegt. Sie schien nachdenklich, aber ich wollte nicht nachfragen. Plötzlich sah sie mir in die Augen und griff nach meiner Hand.
»Simon, ich mag dich.«
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