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Perverses Gedankengut

Kennen Sie das, wenn man alles und nichts im Kopf hat? Alleine die Vorstellung, wie mich der Mann auffordert, in meinem biederen Kostüm in der vollen Straßenbahn vor ihm zu kauern und die Brösel vom schmutzigen Boden aufzulecken - undenkbar.

Eine BDSM-Geschichte von Onmymind.

  • Info: Veröffentlicht am 21.11.2020 in der Rubrik BDSM.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

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Diese Geschichte erreichte den zweiten Platz im Schreibwettbewerb »Blindflug«. (»Schreibwettbewerb: Blindflug«).

 

Kennen Sie das, wenn man alles und nichts im Kopf hat? Dazwischen perverses Gedankengut, das aufblitzt und vor sich dahindümpelt. Ich habe solche Phasen in den unpassendsten Momenten. Wenn Sie eine intellektuelle, plausible Erklärung dieses Zustands erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Ich habe keine, meine Kindheit war unauffällig.

Nehmen Sie als Beispiel jetzt. Während ich in der überfüllten Straßenbahn sitze, sitzt mir gegenüber ein Mann und isst eine nach warmem Backwerk duftende Topfengolatsche. Hypnotisiert starre ich abwechselnd auf seine Lippen und auf den Boden. Das allein ist nicht pervers, nur aufdringlich. Aber halten Sie durch, dazu komme ich noch.

Sie werden sich fragen: Ja nun, was ist das für eine Einleitung? Wer ist diese Person? Ich bin eine durchschnittliche Frau, in jeglicher Hinsicht. Sie würden sich nicht nach mir umdrehen. Selbst mein Gewicht ist durchschnittlich, also leicht übergewichtig. Jetzt nicht so auffällig, sonst würde ich auffallen. Das graue Kostüm passt zu mir, außer dass der Rock im Bund nicht mehr passt und ich deshalb einen Knopf offengelassen habe, schön kaschiert durch meine geschlossene Jacke. Rein optisch sehe ich streng aus. Das ist so eine Sache mit Äußerlichkeiten - es bedeutet wenig. Der zu enge Rock ist unbequem, deshalb werde ich ab heute Intervallfasten. Da liege ich ganz im Trend. Das heißt, ich habe nichts gefrühstückt und darf erst zu Mittag wieder essen. Seit ich aufgewacht bin, denke ich an nichts anderes als an essen.  Meine letzte und bis dahin einzige Diät vor etwa elf Jahren war ein Desaster und gleichzeitiger Rekord, denn sie ging als kürzeste Diät aller Zeiten in die Annalen ein. Dabei hatte ich die besten Absichten und bereitete mich gründlich darauf vor. Ich kaufte ein Buch über die Entgiftung des Darms samt Ausführungen über Schüssler Salze, las zwei Seiten des Buches, biss in die trockene Semmel, kaute vorschriftsmäßig hundertmal, nahm Milch dazu und das Wunder der Vermehrung geschah. Die Semmel wurde in meinem Mund immer mehr, statt weniger. Grauenhaft! Daraufhin wandelte ich die Diät kurzerhand um, indem ich aus dem alten Gebäck Semmelknödel machte. Die Knödel alleine waren so alleine, deshalb gesellten sich ein Schweinebraten und Krautsalat dazu. Sie merken, meine Heimat liegt im Alpenraum, ich koche gerne und bin nicht sehr konsequent. Ab und zu versuche ich, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Jetzt nicht wegen meiner Nationalität, wäre ja dämlich, auch nicht wegen dem Kochen. Ich habe zum Beispiel vor einem halben Jahr einen Jahresvertrag im Fitnessstudio abgeschlossen. Die einzige Motivation, die ich diesbezüglich noch habe, ist, den Vertrag rechtzeitig zu kündigen.

Jetzt verstehen Sie, weshalb ich dem Mann gegenüber am liebsten sein Frühstück aus der Hand reißen würde. Doch es sind die Brösel, die zu seinen Füßen liegen, die mich ganz unruhig machen. Ich rutsche auf meinem Platz hin und her. Mir ist heiß. Ich mag es nicht, aufzufallen, es ist mir unangenehm.

Alleine die Vorstellung, wie mich der Mann auffordert, in meinem biederen Kostüm in der vollen Straßenbahn vor ihm zu kauern und die Brösel vom schmutzigen Boden aufzulecken - mit meinem Reinlichkeitstick sowieso denkunmöglich! Er würde mich ermahnen, gründlich zu sein, ja nichts auszulassen, ansonsten würde er mich bestrafen. Seine Hand in meinem Nacken, die mich niederdrückt. Gott, ich würde mich so schämen, alle Anwesenden schauten zu. Manche wären aufgegeilt, würden uns anfeuern, andere schockiert nach der Sitten- oder Salmonellenpolizei rufen und das Wichtigste: Ich würde einen großen Brösel liegen lassen.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Gelöscht.

03.05.2021 um 23:32 Uhr

Toll geschrieben. Ja, die kleinen abwegigen Gedanken, und doch sind sie da. Auch ich ertappe mich dabei, bei solchen Gedanken. Wer nicht ? Und das zwischen Engelchen und Teufelchen kenn ich auch recht gut ;). Die Gedanken spazieren, das dürfen sie :)

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Gelöscht.

19.03.2021 um 18:56 Uhr

Genau mein Ding. Sprache und Story find ich köstlich. Mein bisheriger Favorit. Schnell nach nachsehen wer die Autorin ist. Das muß eine ...rin sein! (scroll, scroll) Das ist nochmal gut gegangen. 100 Punkte für den Kandidat. Leider kann ich nur 4 Punkte vergeben; man müßte woanders welche abziehen können. Jetzt habe ich jedenfalls erst mal etwas für die Rubrik: Lieblingsautor. Danke

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Jona Mondlicht

Autor. Korrektor. Teammitglied. Förderer.

02.01.2021 um 22:43 Uhr

Onmymind

Keine Ahnung, wann ich das fertig schreibe, denn ich schreibe langsam wie eine Schnecke, und ob Jona es gefallen wird, aber ich habe heute mit dem 2. Kapitel begonnen … 

Liebe Onmymind,

 

ich gehöre auch zum Club der Langsamschreiber, und damit meine ich nicht die Gelegenheiten, sondern die tatsächliche Verweildauer an einem Satz oder Absatz. Mein Verständnis hast Du.

 

Viele Grüße

Jona

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Onmymind

Autorin.

02.01.2021 um 22:35 Uhr

Zuerst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die mir ihre aussagekräftigen Kommentare zu meiner Geschichte dagelassen haben. Vielen, vielen Dank dafür! Dabei war ich mir nicht sicher, ob diese Art zu schreiben – den Leser direkt in der Geschichte anzusprechen und in die Handlung quasi miteinzubeziehen – überhaupt ankommt. Es war ein Experiment, das scheinbar gelungen ist. Das freut mich insofern, weil Elfriedes Gedankengänge eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Inhalt meines Oberstübchens aufweisen. ADS lässt grüßen! Obwohl, wenn ich Pech habe, begleitet mich zusätzlich noch ein Ohrwurm. Wenn ich Glück habe, ist es eine echt geile Mucke, wenn ich Pech habe: Hossa! Hossa! - Keine Ahnung, von wem das ist, wo ich Schlager doch so überhaupt nicht mag. Mein Opa hörte gerne Schlager. Nett, dass ich mich nach 40 Jahren noch an die Texte erinnern kann. Würg. Entschuldigung, bin mal wieder abgeschweift. Also, ich wollte nur ein Kapitel schreiben, schließlich sind 6000 Wörter nicht wenig, aber Elfriede in meinem Kopf nervt ziemlich, sie redet mit Rupert, ihrem Gummibaum und muss zur Herzogin – äh, ihre Mutter, die verzweifelt nach dem Beweis ihrer Blaublütigkeit – gibt´s dieses Wort überhaupt?- sucht. Tja und nicht zu vergessen, die geile Begegnung mit dem Schrankenmann steht auch noch aus. Keine Ahnung, wann ich das fertig schreibe, denn ich schreibe langsam wie eine Schnecke, und ob Jona es gefallen wird, aber ich habe heute mit dem 2. Kapitel begonnen … (600 Wörter, Ächz, muss ja nur noch 10 x soviel schreiben). 

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Gelöscht.

02.01.2021 um 19:54 Uhr

Sehr geehrte Onmymind,

 

auch mich lässt die Geschichte mit einem guten Gefühl und einem Lächeln im Gesicht zurück. Fast wie nach einer guten Session, in der Emotionen verschiedenster Art zu Tage treten und am Ende blickt man einander in die Augen, lächelt und dieses gute und wohlige Gefühl stellt sich ein.

 

Ihr Wortwitz und die Ironie, verbunden mit dem dosiert spöttischen Blick auf den "Emporkömmling", dem die "Agenten ihrer Majestät" nun zu dienen haben, ist grandios. Das "nervöse Wiesel im Nadelstreifenanzug" habe ich gar in meinen Sprachschatz abgespeichert (sorry für das Urheberrecht). Auch in deutschen Großstädten gibt es davon ganze Rudel, wenngleich sie ihren Bewegungsdrang zur Zeit etwas einbremen müssen, weil sie sonst im heimischen Büro aus dem Bild der Videokonferenz fallen.

 

Ich schließe mich den anderen Leserinnen und Lesern an und bitte um eine Fortsetzung der Geschichte. Dabei wäre ich wie Rupert der Gummibaum gerne an der Seite der Protagonistin. Vorab freue ich mich, die Wartezeit mit weiteren Texten von Ihnen zu verkürzen.

 

Danke und viele Grüße !

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panguncula

Gelöscht.

31.12.2020 um 22:54 Uhr

Liebe Onmymind,

 

was für ein wunderschön beschriebenes Szenario! Ich danke dir von Herzen dafür. Oft steige ich beim Lesen mancher Geschichten aus, da es mir an gewissen Stellen "zu bunt" wird und auf mich persönlich nicht sehr realitätsnah wirkt. Das war bei deiner Geschichte nun anders :)

 

Fortsetzung?

 

Liebste, unbekannte Grüsse

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Meister Y

Autor. Förderer.

31.12.2020 um 13:16 Uhr

Liebe Onmymind, ich ziehe den Hut!

Ein klasse Text voller wunderbarer Wendungen, voller (perverser) Gedanken, voller Abwegen, den ich inzwischen drei Mal gelesen habe. Die Elfriede gefällt mir und ich habe mich beim Lesen ab und an dabei ertappt, selbst ein paar (abwegige) Gedanken zu haben. Am Schreibtisch im Büro, beim Anstehen an der Supermarktkasse, beim...

Klasse, wie es Dir gelungen ist, das was Andere im Kopf haben aufzuschreiben, uns daran teilhaben zu lassen, wie es Elfriede mit all ihren Gedanken so geht.

Danke für perverses Gedankengut, dass sich köstlich liest und das ich mit Sicherheit heute nicht zum letzten Mal gelesen habe.

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hanne lotte

Autorin. Förderer.

30.12.2020 um 08:53 Uhr

Liebe Onmymind

 

ich glaube, in deinem Kopf würde ich mich sofort zu Hause fühlen, nur dass mir gerade die Zeit und Ruhe fehlt, das strukturiert aufzuschreiben, ich kann immer nur ein kleines Schnipsel fassen, dass einigermaßen massentauglich ist.

 

In deiner Prota habe ich mich sofort wiedererkannt, ihre GEdanken und Vorstellungen, die vielen kleinen und großen Abschweifungen. Das ist köstlich und ich werde diesen Text sicher noch einige Male lesen.

 

Übrigens finde ich Elfriede viel schlimmer als Zita.

 

Danke für jeglichen Fauxpas

hanne

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11.12.2020 um 20:11 Uhr

Schöne Story in einem ungewöhnlichen Schreibstil, aber wenn man sich reingelesen hat ist es gut zu lesen. Leider kam das Ende zu schnell, wäre schön von dem Wochenende zu erfahren.

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10.12.2020 um 15:53 Uhr

Herzzerreißend schön! Oder ... sooo scheee!!

 

Toll geschrieben, witzig, dieses den roten Faden dauernd verlieren. Sehr erfrischend.

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