Tess ist Mutter eines autistischen Jungen und jobbt als Barfrau in einer Diskothek im tiefsten Hinterland Österreichs. Eine Freitagnacht wie viele andere kündigt sich an. Aber diesmal passiert etwas völlig unvorhergesehenes: Ein schweigsamer Fremder auf einer Harley Davidson taucht auf. Und Tess bekommt jede Menge Stress.
Willkommen in Langsam. Das ist ein Ort zwischen Irnfritz und Goggitsch, Alberndorf und Donnerreith am Ende der Welt. Nomen est Omen. Hier geht alles langsam. Grundsätzlich und »zufleiß«, wie die Leute hier sagen, wenn sie »absichtlich« meinen. Wer hier lebt, will nicht schnell sein. Oder kann nicht. So wie ich. Aber was zum Teufel machte dann diese rabenschwarze 1990erHarley-Davidson Fat Boy hier, die da so gemächlich wie gewaltig vor mir mitten auf der Landstraße dahinrollte?
Der helmlose Fahrer schien nur an der vorbeiziehenden Landschaft interessiert zu sein. Dass ich mit meinem Wagen an ihm vorbeiwollte, kümmerte ihn einen Dreck und mich eigentlich bald auch nicht mehr. Dieses schwarze Monster vor mir war zu sexy, um daran vorüberzuziehen, das dumpfe Tuckern der 1500 Kubikzentimeter hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Als würde es die Sorgen um die ausstehenden Unterhaltszahlungen für Keanu Münze für Münze aus meinem Hirn kicken.
Für einen Moment stellte ich mir vor, wie es wäre, auf dieser Harley zu sitzen. Nicht auf dem viel zu kleinen Sozius hinter dem Fahrer, sondern vor ihm. Direkt auf dem Tank. Das Vibrieren des Motors in meinem Becken zu spüren, wie es ganz langsam nach oben kriechen würde, bis in meine Brüste, in meinen Nacken. Ich würde mich nach hinten lehnen an die Brust des Fahrers, von seinen Armen umrahmt und er würde einen Gang höher schalten und Gas geben und wegfahren mit mir.
Aber kurz vor Altenburg bog er nach Süden, Richtung Gars ab. Klar, einer dieser Bobos, die dort ihre Wochenenden in den feinen Wellnesshotels genossen. Hier konnte sich niemand ein solches Eisen leisten, am Arsch der Welt, im Armenviertel Österreichs, in dem es nur mehr altgewordene Bauern, ein paar Aussteiger in Herrgottsschlapfen und Loser wie mich gab.
Ich fuhr bis zum Gewerbepark kurz vor Horn weiter, um noch ein paar Besorgungen für das Wochenende zu machen. Die Freitagnacht würde lang werden und am Samstagmorgen war ich sicher nicht in der Lage, noch einkaufen zu gehen. Vor der Tankstelle lungerten ein paar Kids um ein Mofa herum. Der Harley Fahrer fiel mir plötzlich wieder ein. Setz den Helm auf, du Schwachkopf, dachte ich. Vielleicht sagte ich es sogar.
ich hatte das schon im Adventskalender gesagt, nach diesen Zeilen weiß ich, dass es in der tiefsten österreichischen Provinz nicht wirklich anders ausschaut, als hierzulande.
Wenn die Dorfdisko ruft...
Fasziniert hat mich die Geschichte dann aber doch auf ihre eigene Weise und ich muss zugeben, dass ich damals wie heute eifrig im Kopf die Buchstaben des Alphabets heruntergezählt habe.
Eine tolle Story, ein wahrscheinlich sehr realistischer Blick hinter die Kulissen und eine wirklich außergewöhnliche Idee.
4 1 14 11 5 für diese beeindruckende Geschichte, die konsequent durchgeschrieben ist, von Anfang bis Ende ihren Stil hält und wirklich Lust auf mehr macht.
Tolle Geschichte! Ich finde Deine Storys wirklich ganz großartig! (-: Beim Buchstabieren hatte ich natürlich den Ehrgeiz, es jeweils auch ohne Übersetzung rauszufinden... deswegen hat das Lesen etwas länger gedauert... aber man liest es dann eben doch in einem Rutsch durch!