Alle Jahre wieder
Im Halbdunkel stolpere ich vor der Haustür. Meine kleine, süße Frau hat dekoriert. Wie jedes Jahr. Wie alle Jahre wieder. Und alle Jahre ein bisschen mehr. Sie ist nicht zu stoppen. Gerne würde ich gegensteuern, habe eine Idee und bestelle sie in den Keller. Nackt natürlich.
Eine BDSM-Geschichte von Margaux Navara.
Info: Veröffentlicht am 24.12.2014 in der Rubrik BDSM.
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Ich stolpere im Halbdunkel vor der Haustür. Kommt es mir heute dunkler vor als sonst? Ah, der Übeltäter ist ein überdimensionierter Stern mit Anhängseln aus kleinen Stoffsternen, Tannenbäumchen und Schleifen in Dunkelrot, der die Außenleuchte teilweise verdeckt. Und gestolpert bin ich über eine Zusammenstellung von Holztannen verschiedener Größen mit Kugeln und Zapfen dazwischen.
Es ist wieder mal so weit!
Meine kleine, süße Frau ist im Weihnachts-Deko-Wahn, der eine jährliche Steigerung erfährt. Letztes Jahr ist mir der Kragen geplatzt. Doch die Wirkung der Schläge mit dem Paddel hat anscheinend im Verlauf des Jahres nachgelassen. Normalerweise dient das Paddel zum Lustgewinn, ich konnte nur versuchen, sie den Unterschied merken zu lassen.
Hinter der Haustür trifft mich die volle Weihnachtsattacke - im Flur sind an mehreren Stellen Grüppchen von Eulen, Pinguinen und Nikoläusen aufgebaut, jeweils mit Nüssen, Schleifen, Sternen und weiß-der-Geier-was dazwischen.
Was mich am meisten stört: Ich erkenne kaum etwas wieder. Jedes Jahr verfällt Monika in diesen Wahn, jedes Jahr muss Nachschub gekauft werden. Warum, ist mir ein Rätsel. Was ändert sich an Weihnachtsmännern und Elchen? In meinen Augen nichts. Tannenzapfen und Bänder sind genauso wiederverwendbar wie Laternen und Silbersterne.
Seufzend lasse ich mich auf die Bank im Flur fallen, nur um gleich wieder mit einem erstickten Schrei aufzuspringen. Etwas hat sich in meinen Hintern gebohrt! Ein aus Holz gesägter Tannenbaum auf einem Ständer aus Metall, daneben diverse Sterne mit genauso scharfen Spitzen und jede Menge silbrig glänzendes, wolliges Zeug, das ich - wie ein Blick in den Spiegel ergibt - nun an der Hose hängen habe.
"Monika!"
Dass die Glasengel an den Fenstern ängstlich klirren, war Absicht.
"Ach, du bist zu Hause."
Ich kenne ihren unschuldigen Tonfall. Sie weiß also genau, um was es geht!
"Was soll das alles?"
"Aber mein lieber Schatz, es ist doch bald Weihnachten! Ich habe die Deko ausgepackt und verteilt."
"Die Bank ist belegt! Das muss weg!"
"Wenn du meinst. Ich kann es ja hier auf die Treppe stellen."
"Letztes Jahr hatten wir keinen solchen Tannenbaum hier stehen. Hast du schon wieder neues Zeug gekauft?"
"Das ist kein Zeug, das ist Deko. Ich möchte es gemütlich haben in unserem Zuhause."
"Genau. Unser Zuhause. Ich will es nicht mit tausend Elchen und Hirschen teilen."
"Elche und Hirsche sind out, mein Lieber. Dieses Jahr sind Pinguine und Eulen in."
"Hast du deshalb alles erneuert, weil es in ist?"
"Sicher, mein Bär. Du möchtest doch nicht jedes Jahr das Gleiche sehen."
Ich schaue sie ein wenig fassungslos an. Wenn ich nicht jedes Jahr das Gleiche sehen wollte, müsste ich mir ja auch mindestens einmal im Jahr eine neue Frau suchen, oder?
Eine Idee keimt auf. Ich muss die Lektion nachhaltiger gestalten, damit sie sich besser einprägt, soviel ist klar.
"Um 09.00 Uhr. Folterkeller. Nackt."
Sie verstummt sofort und schüttelt sich leicht. Ihre Augen leuchten auf und ich sehe zwei Erhebungen auf ihrer Brust, die eben noch nicht dort waren. Gut.
Unser 'Folterkeller' besteht aus dem gut ausgestatteten Gästezimmer, in dem noch nie Gäste übernachtet haben. Wir auch nicht, denn hier wird nicht geschlafen, das ist das Letzte, an das wir hier drin denken.
Auch heute wird es nicht um Schlaf gehen, sondern um Erziehung, die ich in letzter Zeit anscheinend vernachlässigt habe.
Vorher mache ich einen Rundgang durch das Haus und auch einmal außen herum. Bis zur vereinbarten Zeit habe ich alles fertig.
Sie stellt sich auf den Platz, den ich ihr zuwies und präsentiert sich mit gespreizten Beinen und hinter dem Kopf verschränkten Händen. Sie ist noch genauso schön wie damals, als wir uns im Club kennenlernten. Ich möchte nicht das Gleiche sehen? Oh doch! Immer wieder will ich sie so sehen, bis ans Ende unserer Tage.
Ich muss die Sentimentalität abschütteln. Bin ich schon vom Geist der Weihnacht eingelullt? Am besten gelingt mir das, indem ich auf die von mir gesammelten Utensilien schaue. So aus dem Zusammenhang gerissen, versetzen sie mich nicht in den Zustand der Rührseligkeit, sondern bringen mir äußerliche Härte und innerliche Entschlossenheit.
Die Kerzen geben zwar einen warmen Schein ab und leuchten den Raum nur unvollständig aus, aber sie bekommen zwischen den Stahlgestellen und vor den schwarzen Utensilien eine andere Konnotation.
Ich habe mich auf wenige Farben bei meiner Auswahl beschränkt, auch ich besitze ein Auge für Schönheit. Silber, dunkelrot und - notgedrungen - Holz. Holz passt zu allem.
Da ich nicht auf einen gesenkten Blick bei dieser Haltung bestehe, weiß ich, dass meine Frau inzwischen Teile ihrer Dekoration entdeckt hat.
"Weißt du, warum wir hier sind?"
Sie nickt, was ich mit einem Klaps auf den Hintern beantworte.
"Ja, Herr."
Schon besser. Aber nicht gerade ergeben, eher renitent.
"Ich machte dir bereits letztes Jahr klar, dass ich nicht unter einem Berg von Weihnachtsdekoration begraben werden möchte."
"Ja, Herr."
Ihre Stimme kommuniziert anderes als ihre Worte. Sie ist aufsässig, widerstrebend, ein wenig bockig sogar.
"Du sagtest vorhin: unser Haus. Ich möchte genau daran erinnern. Dies ist unser Haus. Nicht dein Haus. Ich bin nicht nur zu Gast hier, auch wenn du mehr Zeit hier verbringst. Deshalb erwarte ich Rücksichtnahme auf meine Bedürfnisse."
"Ja, Herr." Monika seufzt. Sie weiß, dass ich Recht habe. Ein Recht auf ein stolperfallenfreies Haus.
"Dazu gehört, dass ich nicht im Dunkeln zur Haustür laufen muss. Dass ich nicht auf Treppenstufen über Elche stolpere. Dass ich mich hinsetzen kann, wann und wo ich will, ohne dass sich etwas in mich bohrt."
"Entschuldige, Herr." Mir scheint, ihr dämmert so langsam, dass sie es dieses Jahr auf die Spitze getrieben hat.
"Damit du einsiehst, dass es von allem zu viel war, habe ich einige deiner Dekomaterialien hergebracht. Wir werden sehen, ob du sie hinterher noch genauso gerne verwenden wirst."
"Ich verstehe, Herr."
Als Erstes nehme ich von dem breiten silbernen Geschenkband. Damit binde ich ihre Hände auf den Rücken. Das Band bildet einen hübschen Kontrast zur Haut.
Die Kerzen kommen zum Einsatz, die Kombination aus Dunkelrot und Silber macht sich auch hier gut. Sie windet sich, wenn die Tropfen auf empfindliche Stellen treffen. Gut so. Sie soll spüren, dass Feuer gefährlich ist. Mit ihrer Kerzenwut brennt sie uns noch eines Tages das Dach überm Kopf ab.
Der hölzerne Tannenbaum auf dem Metallständer liegt zwar nicht so gut in meiner Hand wie ein Paddel, aber die Abdrücke haben eine interessante Form und prägen sich genauso gut ein.
Eine hohe, schlanke Eule sorgt dafür, dass ihr Stöhnen von einem schmerzerfüllten "Ah" zu einem sinnlichen "Uh" wechselt, während die Streusel aus zerpflückten Tannenzapfen auf dem Boden das Knien zu einem besonderen Erlebnis machen.
Ich bezweifle, dass sich die Lektion richtig eingebrannt hat. Es fällt mir schwer, ihr gegenüber konsequent zu bleiben, weswegen diese Erziehungsstunde überhaupt notwendig wurde.
Am Ende verliere ich nämlich das Ziel aus den Augen und gebe mich ganz dem Vergnügen hin, meine dekorierte Frau zu genießen. Was sie nicht davon abhalten wird, nächstes Jahr wieder neue Dekoration zu kaufen.
Warum auch nicht? Neues Spielzeug ist immer willkommen.