Ein kleines Buch
Priscilla betrachtete verstohlen den Verkäufer. In Gedanken wechselte sie seine Kleidung, bedachte ihn mit Zaubermantel und spitzem Hut. Als er ihr den Preis für das kleine Buch nannte, willigte Priscilla ein, ohne zu zögern oder zu handeln.
Eine Fantasy-Geschichte von Captain Orange.
Info: Veröffentlicht am 04.04.2015 in der Rubrik Fantasy.
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Aus den Tiefen der Wohnung klang gedämpft ein leises Fluchen und Schimpfen. Je mehr Zeit verstrich, desto höher wuchs der Geräuschpegel, bis schließlich ein alles durchdringender Wutschrei erklang. Priscilla war vor Kurzem in eine neue Unterkunft umgezogen. Dementsprechend sah es in der Wohnung noch aus. Das Meiste war schon an seinem Platz, bot einen erfreulichen Eindruck und keinen Anlass zum Fluchen. Der Grund des Fluchens lag auch nicht an den wenigen Umzugskartons, die noch wild verteilt in den Räumen standen und geduldig darauf warteten, ausgepackt zu werden. Diese Geduld fehlte Priscilla im Moment allerdings eindeutig. Schon seit anderthalb Stunden suchte sie etwas ganz Bestimmtes und fand es nicht. Es war nichts Lebensnotwendiges wie die Kaffeemaschine oder der Schminkspiegel. Auch sämtliche Schuhe standen ordentlich aufgereiht im Schuhschrank. Selbst die Kochtöpfe waren schon ausgepackt, wenn auch noch nicht benutzt.
Es fehlte ein kleines Buch. Mürrisch ließ Priscilla sich auf das Sofa plumpsen und schmollte mit verschränkten Armen eine Weile vor sich hin. Krampfhaft zermarterte sie sich das Gehirn, in welchem der noch unausgepackten Kartons sich das Buch wohl befinden konnte. Ungeduldig kramte sie in den Kartons. Auch nach dem Ablauf einer weiteren halben Stunde hatten ihre fahrigen Finger das Buch nicht gefunden. Mechanisch kratzte Priscilla nervös an ihren Unterarmen, wie immer, wenn sie aufgeregt war. Eine schlechte Angewohnheit, die sich einfach nicht abstellen ließ. Im Augenblick steigerte die Erkenntnis, dass sie sich schon wieder kratzte, aber ihre schlechte Laune ins Unermessliche. Wie eine Furie sprang sie auf und wühlte erneut in den Kisten. Nichts. Das Buch blieb spurlos verschwunden. Priscilla war den Tränen nahe. Unbedacht stand sie auf und knallte mit dem Kopf an den Schirm der tief hängenden Lampe. Die Tränen flossen augenblicklich, auch wenn der Schmerz eigentlich gar nicht so groß war. Sie hockte sich an Ort und Stelle hin und heulte Rotz und Wasser.
Eine Weile später stand sie vor dem Badezimmerspiegel und betastete vorsichtig die Beule. Das würde einen schönen blauen Fleck geben. Im Geist konnte sie auch schon die hämischen Kommentare ihrer Arbeitskolleginnen hören. Frustriert ging sie zu Bett.
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Kommentare von Leserinnen und Lesern
War das eine tolle Reise auf die du mich, Captain, mitgenommen hast. Schön gewählte Worte und dann diese plötzliche Wendung an der sich die Phantasie mit der Realität trifft...Vielen Dank! Besonders toll war die Stelle, wo sie sich vorstellt, wie der Verkäufer mit Zauberermantel aussieht. Warum dieses wundervolle Instrument des Kopfkinos eigentlich nur im BDSM Kontext verwenden? Eine schöne Anregung wie Phantasie den Alltag bunter machen kann...
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Schön...
Ich hole mal ein bisschen aus. Die Grundidee, die Leserin (den Leser) eines Buches durch das Lesen in eine Phantasiewelt eintauchen zu lassen ist ja seit Michael Endes Unendlicher Geschichte nicht neu. Sie aber hierher auf die Schattenzeilen zu holen fand ich klasse.
Toll fand ich auch den Beginn. Die nagende Verzweiflung bei der Suche nach dem Buch, das sich selbst beim Kratzen ertappen, klasse beschrieben. Selbst die Szene auf dem Flohmarkt war noch so angelegt, dass man mit der Protagonistin fühlen konnte.
Die folgenden Abläufe sind mir dann zu voll, gehen zu schnell. Hier fehlt die Tiefe, die Gefühlswelt, das Empfinden der Protagonistin und später von Sabine. Ich fand dies ein bisschen schade, sehe aber auch, dass man in einer Kurzgeschichte nicht alles darstellen, fassen kann. Dennoch bleibt für mich das Fazit, dass weniger (dafür intensiver) vielleicht mehr gewesen wäre. Ein "sehr gut" gibt es, weil ich die Idee klasse und mutig fand und die Zeilen wirklich gern gelesen habe.
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Devana
Autorin. Korrektorin. Teammitglied.
02.06.2015 um 23:52 Uhr
geändert am 02.06.2015 um 23:54 Uhr
Die Idee finde ich prima, da eben nicht alltäglich. Ein wenig hastig geht es dann in den beiden Episoden zu, was aber für eine Kurzgeschichte in Ordnung geht. Man hätte es aber ausweiten können. Ein klein wenig mehr SM hätte es auch sein können. Ebenso fehlte mir die Gefühlswelt der Protagonistin. Aber trotz dieser Kritikpunkte ist es eine sehr gelungene Geschichte mit einem Setting abseits des SM-Geschichten-Mainstreams und die Kritikpunkte sind eher aus dem Wunsch nach mehr entstanden.
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10.04.2015 um 13:16 Uhr
geändert am 10.04.2015 um 13:18 Uhr
Wortwörtlich zauberhafte Geschichte die mir Anlass zum weiterspinnen gibt!
Welche Leseratte lässt sich nicht gern von solch einer Fantasie gefangen nehmen!
Und die Idee einer Zeitreise fasziniert seit je her!
Klar hättest du Einzelnes mehr ausbauen können, so überlässt du die Details meiner Fantasie...
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Die Idee, das Lesen in einem Buch mit einem realen Erlebnis zu verbinden fand ich gut. Den Sprung in eine andere Dimension, eine andere Welt gut umgesetzt.
Sicher hätte es sich gelohnt, die vielen in der Geschichte verpackten Geschichten auszubauen, tatsächlich in mehrere Geschichten zu packen. Gelesen jedenfalls hat sich die Geschichte gut.
Vielen Dank dafür
rauenstein
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Die Idee zu dem Text finde ich auch sehr gut und kreativ. Das Problem, das ich hier sehe ist, dass es für die Länge der Geschichte sehr viel Handlung ist. Dadurch rutscht man von einer Situation in die Andere, ohne sich wirklich auf Eine einstellen zu können.
Ich hätte mir vlt. eher eine Geschichte ausgesucht (z.B wo sie auf dem Altar gefesselt wird) und diese dann dafür ausführlicher beschrieben. Ist aber nur meine persönliche Meinung.
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Gute Idee, hat aber was vom altehrwürdigen Kapitän Hornblower hm-hm...
Ich finde, die Geschichte ist bei der guten Grundidee noch ein wenig ausbaufähig. Würde mich über ein Mehr freuen.
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