Rubys Erwiderung auf Raulfs Ermahnung bestand in einem formvollendeten Schmollmund, während sie gleichzeitig zu ihm herauf blickte. In der Vergangenheit hatte dies nicht immer zum von ihr gewünschten Erfolg geführt, einen Versuch war es jedoch wert.
Eine dichte Wolkendecke lag über der Stadt und verbarg die Sonne an diesem späten Herbsttag. Leichter Nieselregen, fern von dem donnernden Prasseln eines schweren Wolkenbruches, hüllte die Welt in seinen Schleier. Nicht nass genug, um den Schmutz von den Straßen zu waschen, aber doch so feucht, dass viele Leute die Sehnsucht nach sommerlichen Temperaturen packte. So sehr Einige auch die wärmeren Jahreszeiten schätzten und die Berührung der Sonne herbeisehnten, gab es jene Menschen, die den Herbst bevorzugten. Die sich wohl fühlten, wenn das Prasseln des Regens zu hören war und sich dichter Nebel von den Feldern in die Straßen vorwagte. Bis eine Stimmung greifbar wurde, wie man sie aus klassischen Krimis oder Horrorfilmen kannte.
Mit diesem inspirierenden Gedanken schloss Raulf die Balkontüre und verriegelte sie. Lächelnd ließ er einen letzten Blick über die Gärten der Nachbarn wandern, bevor er sich umwandte. Er war von durchschnittlicher Gestalt, das dunkelbraune Haar ebenso sauber gepflegt, wie der Henriquatre. Vielleicht das eine oder andere Kilo zu viel auf den Rippen, aber bislang hatte das niemanden gestört. Vor allem nicht an Tagen wie diesem, wo Gemütlichkeit Vorrang besaß. Deshalb trug er seine Gammelklamotten bestehend aus grauen Jogginghosen, schwarzem Shirt und einer Weste, die abgetragen und daher umso bequemer war.
Genau wie der große Lesesessel aus braunem Leder, der schräg zur Fensterfront stand. Durch sein Alter und die regelmäßige Nutzung besaß dieser abgewetzte Stellen, die ihm einen ganz eigenen Charme verliehen. Wegen der frischen Temperaturen lag eine dünne Decke über seiner Rückenlehne, da die Nähe zum Fenster das Leder rasch abkühlen ließ. Im Sommer war ein solcher Schutz unnötig, da die wärmenden Strahlen der Sonne für ein angenehmes Gefühl sorgten. Zudem stand der Sessel so, dass man durch das natürliche Licht bis spät in den Abend zum Lesen nutzen konnte. Seine Position verhinderte dabei allzu neugierige Blicke, auch wenn die Vorhänge nicht zugezogen waren. Im Moment hatte die Dunkelheit der Nacht Einzug gehalten und wurde nur durch den sanften Schein der Stehlampe vertrieben.
In deren Licht rückte Raulf seine Brille zurecht und ließ die Augen prüfend durch den Raum wandern. Auf dem Sofa an der Wand lag die bequeme Decke aus Kunstfell, die Ruby über alles schätzte, und die kleine Kommode neben dem Sessel bot trotz der Bücher genug freien Platz, um etwas darauf abzustellen. Zufrieden mit den wenigen, aber umso wichtigeren Vorbereitungen wandte er sich nun den in Leder gebundenen Werken zu, die zwischen zwei Bücherstützen mit steinernen Eulen ruhten. Hier gab es alte Klassiker in bewusst traditioneller Aufmachung und jedem einzelnen davon gelang es immer wieder, das Kopfkino anzuregen.
Nette Umdichtung des Märchens. Einige Schwachstellen: zweimal sieht sie ihn wortgleich von unten herauf an, obwohl sie auf seinem Schoß sitzt, anatomisch nicht vorstellbar. Das Schlafzimmergeräusch aus dem Bad und kleine Wiederholungen wurden schon erwähnt. Aber trotzdem Lesevergnügen!
Das ist mal ein gutes Ende der Rotkäppchen Geschichte. Wieso die Grimm Jungens unbedingt einen Jäger dabei haben mussten, ist mir sowieso schleierhaft. Ein Wolf ist doch viel schöner.
Lieber Knurrwolf , Du weißt wie sehr ich Deine Art zu schreiben schätze, wie sehr ich Deine Geschichten mag. Mit dieser, auch sie erinnert mich an die Blitzlichter, hast Du das Romatikerherz mal wieder höher schlagen lassen. Eine wirklich schöne Szene beschreibst Du. Sinnlich und verspielt lässt Du uns in einem reich bebilderten Märchenbuch blättern, ganz toll. Ich muss auch sagen, dass ich das weder zu sehr beschrieben, noch zu voll, noch zu klischeehaft fand. Ich fand es einfach typisch Kaoru!
Danke für wunderschöne Zeilen an einem Feiertagsfrühstücksmorgen!
Besonders gut gefällt mir die Hinführung zum Thema. Sowohl die Wortwahl als auch die Bilder zeichnen die Stimmung vor, in der die eigentliche Szene stattfindet. Bravo!
Vielen Dank für eure ausführliche Kritik. Ja meine Detailverliebtheit ist ein zentraler Part meiner Geschichten und gelegentlich verlaufe ich mich sogar darin. Aber es gehört nun einmal zu meinem Stil, wenn ich auch vielleicht mal einen Gang zurückschalten und die Formulierungen doppelt und dreifach prüfen sollte, was den Sinn dahinter angeht.
Lieber Kaoru, ich habe mich gefreut wieder einen Text von dir zu lesen. Die Idee mit dem erotischen Märchen fand ich originell, auch wenn in der ursprünglichen Erzählung ein Kind und ein Tier die Hauptrollen spielen. Da musste ich erst mal umdenken und mich von dem unschuldigen Märchen lösen. Das macht aber nichts, die Bilder sind schön, etwa das Herbstszenario oder die Frau, die sich nackt in das Fell hüllt, die Haut noch gerötet von der heißen Dusche. Wundervoll! Auch die eigentliche Erotik ist ganz nach meinem Geschmack und kommt nicht zu kurz. Das hat mir sehr gefallen. Zum Schluss noch eine kleine Kritik, die schon „Spätzle“ aufgegriffen hat. Es gibt einige Formulierungen, über die ich gestolpert bin. Vielleicht war das ja Absicht, um den Lesefluss zu verlangsamen und so besondere Stellen zu betonen, aber hin und wieder musste ich überlegen, ob das so geht. Zum Beispiel wie der Sessel steht, damit er Licht abbekommt aber doch von außen nicht zu sehen ist. (Und warum das wichtig ist.) Oder weshalb rumort es im Schlafzimmer, wenn sie duscht? Kämen die Geräusche dann nicht aus dem Bad? Und warum rumoren? Darunter stelle ich mir nicht unbedingt Körperpflege vor. Versteh mich richtig, es ist nichts falsch, aber irgendwie komplizierter als nötig. Ich weiß, das klingt komisch, denn es kommt vom Umstandskrämer persönlich, aber vielleicht hilft es uns beiden bei zukünftigen Texten. Alles in Allem eine gelungene Geschichte. Vielen Dank dafür und bitte mehr davon.