Wunschzettel
Wohin mit dem Wunschzettel? Von der Fensterbank könnte der Wind ihn zu den Nachbarn tragen. Will ich, dass sie wissen, was ich mir von Dir wünsche? Ich könnte den Brief auch direkt an den Weihnachtsmann schicken. Im Fernsehen haben sie gesagt, dass von dort alle Briefe beantwortet werden. Aber will ich eine Antwort vom Weihnachtsmann?
Eine BDSM-Geschichte von Schattenwölfin.
Info: Veröffentlicht am 24.12.2015 in der Rubrik BDSM.
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Mein Liebster!
Es sind nicht mehr viele Tage bis zum Fest, es bleibt nicht mehr viel Zeit, sich liebevoll um Geschenke zu kümmern, im Grunde ist es schon zu spät, um noch Wünsche zu äußern, diese gar schriftlich zu formulieren und den Wunschzettel zu platzieren. Die Kinder haben ihre Wunschzettel immer draußen auf die Fensterbank gelegt. Das werde ich nicht tun. Mir ist das Risiko zu groß, dass der Wind ihn hinwegfegt und in den Garten eines unserer Nachbarn trägt.
Stell Dir vor, Herr Bienmüller würde diese Zeilen lesen! Oder Frau Wollenscheid, die erst kürzlich in Nummer 21 gezogen ist! Was wird sie denken, wo sie hingeraten ist? Obwohl! Neulich habe ich gesehen, wie sie in einem sehr kurzen Rock, aber mit sehr langen, sehr hochhackigen Stiefeln in ein Auto gestiegen ist, wer weiß schon, was die Leute so umtreibt?
Sollte ich den Brief direkt an den Weihnachtsmann schicken? Nach 16798 Himmelpfort in seine Postfiliale? Von dort werden alle Briefe beantwortet, das habe ich kürzlich in einem Fernsehbeitrag gesehen. Es wäre schon spannend zu erfahren, was ich für eine Antwort bekommen würde. Aber ich will nicht Irgendjemandes Antwort, auch nicht die des Weihnachtsmannes. Ich will eine Antwort von Dir, mein Liebster, eine Antwort, die meine Wünsche erfüllt. Und bin gespannt, auf welche Weise Du sie mir - hoffentlich - erfüllst.
Ich werde den Wunschzettel jedenfalls an einen Ort legen, von dem ich sicher sein kann, dass Du ihn dort findest, und von dem ich mir sicher sein kann, dass nur Du ihn findest. So wie ich sicher bin, dass sein Inhalt Dich an den richtigen Stellen treffen wird.
Dies ist kein Wunschzettel, wie Du ihn von mir gewohnt bist. Weder wünsche ich mir zwei, drei, vier, viele Bücher noch eine Pulle von meinem Lieblingsparfum, weder ein Seidentuch noch einen Wollschal.
Mein Liebster, seit ich weiß, dass die Kinder in diesem Jahr außer Haus feiern, seit ich weiß, dass wir am 24. Dezember für uns sein werden - nur wir beide - habe ich nicht, wie in den zurückliegenden Jahren um diese Zeit, die Menügestaltung für die Feiertage im Sinn, sondern nur Fisimatenten.
Fisimatenten - Du erinnerst Dich?
Nicht die, die mein Vater meinte, wenn er mich mahnte, sie mir aus dem Kopf zu schlagen. Wiewohl - ich sitze hier und werde zappelig - mit Schlagen haben die Fisimatenten, die ich meine, schon etwas zu tun.
Und neben diesen Fisimatenten in meinen Kopf ist nun kein Platz mehr für Gedanken an das Weihnachtsmenü. Da ist allenfalls noch Platz für eine große Portion Spaghetti mit Tomatensoße.
Die gab es schon einmal am Weihnachtsabend bei uns, besser gesagt: spät in der Nacht. Erinnerst Du Dich? Damals waren noch keine Kinder im Haus. Damals gehörten sie zu unserem Alltag, die Fisimatenten, die ich meine. Es würde also passen: Eine große Portion Spaghetti mit Tomatensoße aus einer gemeinsamen Schüssel und auf einem Lager aus Decken und Kissen sozusagen unter dem Tannenbaum.
Wir werden hungrig sein, nachdem ...
Die Petitessen, die wir uns im Familienalltag erlauben, können wir gerne auslassen, mein Liebster, und stattdessen aus den Vollen schöpfen.
Ich werde nicht nur den Baum und mich herausputzen, sondern auch Manschetten und Haken auf Hochglanz polieren. Ich werde alle Leuchter mit Kerzen bestücken und eine weitere Kerze zusammen mit den Streichhölzern bereitlegen. Und sage bitte nicht, wie früher mein Vater, ich solle mir die Fisimatenten aus dem Kopf schlagen, sondern lasse sie mich am ganzen Körper spüren.
Das ist alles, was ich mir wünsche.
Für immer Dein
M.