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Hotel Voyeur (Teil 2)

Schon immer hatte Eduard seine Augen überall. Beruflich wie privat entging ihm nichts. Doch wo er bislang hatte auf die Knie gehen müssen, um die Dinge zu sehen, die nicht für seine Augen bestimmt waren, kamen ihm nun das neue Sicherheitskonzept seines Chefs und die daraus resultierenden Maßnahmen entgegen. Eduards Leben würde nicht mehr nur das eines Aushilfsportiers sein, sondern das Paradies werden.

Eine BDSM-Geschichte von Alma und corvus corax und Devana und dienerin und Jona Mondlicht und Lucia und Margaux Navara und Nachtasou und Schattenwölfin und ungewiss.

  • Info: Veröffentlicht am 01.04.2017 in der Rubrik BDSM.

  • Folge: Dieser Text ist Teil einer Reihe.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

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Bild: Schattenzeilen, Dall-E

 

Der Schwerpunkt der Schattenzeilen-Schreibwerkstatt 2016 lag darauf, mit allen Sinnen zu beschreiben: zu zeigen und nicht zu erklären. Traditionell wurden die gewonnenen Schreib(er)kenntnisse zu einer Gemeinschaftsgeschichte verbunden. Dies ist ihr zweiter Teil.

 

 

 

Ein schmaler Korridor als Durchgang, ein heller Raum. Cremefarbene Wände zwischen weißem Boden, weißer Decke, weißen Gardinen, die die bodentiefen Fenster vollständig verkleideten. Weiß die Polster des Sessels und des Schreibtischstuhls. Als passend zum Sommer, dessen Temperaturen hinter die Klimaanlage verbannt waren, empfand Marion dieses Weiß, wenngleich es ihre Erinnerung trübte. Anders das dunkle Möbelholz, aus dem Bettrahmen und Tische gefertigt waren, und dessen Farbwärme vom Duft frisch geschlagenen Holzes unterstrichen wurde. Die Einrichtung musste neu sein oder mit einer besonderen Politur behandelt.

Schritt für Schritt klackten die Absätze ihrer schwarzen Wildlederpumps über den lackierten Boden bis zum Schreibtisch. Im darüberhängenden Spiegel begegnete Marion ihrem Gesicht, begrüßte sich mit einem Lächeln, das eine makellose, kukidentgepflegte Zahnreihe hinter blutrot geschminkten Lippen zeigte. Sie streifte sich den schwarzen Strohhut vom Kopf, der jahrelang aufbewahrt gelegen hatte in einer Hutschachtel auf ihrem Dachboden. Zuhause. In der alten Villa. Einst hatte Tüll ihr Gesicht darunter kokett verdeckt und zauberhafte Schatten auf ihre makellose Haut geworfen. Der Tüll war abhandengekommen, aber noch immer zierten Perlen und Federn das Stück, das sie sich einst bei einem Hutmacher speziell für die Treffen mit Philipp hatte anfertigen lassen. So wie Philipp für sie spezielle Dinge hatte anfertigen lassen, die es damals nicht einfach im Laden zu kaufen gab.

Marion ließ sich mit einem leisen Seufzen auf die kühle Sitzfläche des Stuhls sinken; das Lederimitat betrog sie um den Duft, der ihre Rückblicke perfekt hätte begleiten können. Erinnerungen an frühere Aufenthalte in dieser Stadt, an ein Hotel, das es heute nicht mehr gab, an einen Menschen, den es nicht mehr gab, und die besonderen Schmuckstücke, die er ihr angelegte bei ihren Rendezvous‘, sobald sie das Zimmer betreten und noch bevor sie ein Wort miteinander gewechselt hatten.

Marion rutschte mit einer leichten Unruhe auf der Sitzfläche herum. Philipp hätte das nicht geduldet. Als dränge ein Augenaufschlag aus der Vergangenheit in den Raum, saß sie still, hielt so eine Weile inne, bevor sie aufstand, um dem Hotelpagen, der angeklopft hatte, die Tür zu öffnen. Der junge Mann stellte die Reisetasche vor dem Bett ab und Marion entlohnte ihn großzügig.

Bei den Treffen mit Philipp waren sie niemals knausrig gewesen, weder mit dem Trinkgeld, noch mit ihrer Gier. So wollte sie es auch nun halten. Wenigstens mit dem Trinkgeld.

Marion griff nach der Tasche und zog sie auf das Bett hinauf, öffnete beinahe andächtig den Reißverschluss. Ganz oben auf ihrer weißen Wäsche lag der Beutel aus rotem Samt, an dessen Oberfläche sich zwei kleine und eine größere Rundung abzeichneten. Als wäre der Beutel ein rohes Ei, berührte Marion ihn mit den Händen, bevor sie ihn aus Tasche zog und zwei lederne Manschetten und einen Halsreif herausholte.

Mit lässiger Eleganz streifte sie die Pumps von ihren Füßen, schob die Tasche beiseite und setzte sich auf den Bettrand, dessen Höhe sie in ihrem Alter als sehr komfortabel empfand.

Sogleich schob sich Philipp in ihre Sinne, der sie getadelt haben würde dafür, dass sie an ihren Komfort dachte. Sie sah ihn nicht nur vor sich, sie meinte ihn auch zu riechen, sein Rasierwasser, das es nur in der Schweiz zu kaufen gab, und das sich mit seinem eigenen Geruch für sie immer zu einem sie packenden, haltenden Geborgensein verdichtet hatte. Während Marion über die Laken strich, glaubte sie Philipps kräftige Arme zu spüren, seine behaarte Brust, seinen zupackenden, bestimmenden Griff, mit dem er sie gehalten, dirigiert und geliebt hatte.

Marions Atem wurde schwerer und lauter, sie legte sich den Halsreif an, verschloss ihn und warf einen erneuten Blick in den Spiegel. Er passte noch gut, der Stift ließ sich im Loch der Vergangenheit versenken, ihre Haut darüber war jedoch schlaffer geworden, darunter trübten Altersflecken die Makellosigkeit. Aber ihre Augen waren klar und wach wie ihre Erinnerungen, auf die einzulassen sie hierher gekommen war.

Marion rieb sich die Handgelenke und legte die Manschetten darum. Wie oft hatte Philipp sie vor ihrer Mitte oder hinter ihrem Rücken miteinander verbunden. Sich selbst zu fesseln, kam ihr albern vor, gefährlich auch, zumindest hätte es peinlich werden können und die Impulse, die ihr Körper nun aussendete, drückten sie auf die Liegefläche, mit derselben Wucht, mit der Philipp sie dorthin gepresst hätte. Wäre er hier, würde er das Kleid hochschieben und ihre Unterhose ausziehen. Nein. Wäre er hier, würde sie keine Unterhose tragen, sondern nur den Strumpfhalter und die Strümpfe. Philipp sähe sofort, was er von ihr zu sehen verlangte. Sie hörte seine Stimme in den Ansagen klar, vor Erregung unscharf. Er wies sie darauf hin, wie rot und prall durchblutet sie sei in ihrem Schritt. Wie sehr er ihrem Geschlecht ansähe, dass es - dass sie - nach ihm verlange. Dass er sie nun noch zappeln lassen, ihr vielleicht erst den Hintern versohlen wolle, um zu schauen, ob sie ihn aus ihrem Schritt noch geiler anschauen könne, bevor er ihr das verschaffen würde, wonach alles an ihr schrie.

Marion griff sich zwischen die Schenkel, nichts Pralles, nichts Feuchtes, nur Alter. Was für eine absurde Idee, hierher zu kommen.

So schnell sie konnte, verließ sie das Bett, nestelte sich die Manschetten von den Handgelenken und den Reif vom Hals, warf beides zusammen mit dem Samtbeutel achtlos in die Tasche, schlüpfte in ihre Pumps, setzte sich ihren Hut auf, überprüfte mit einem letzten Blick, ob ihr Lippenstift nicht verschmiert war, und verließ das Zimmer.

Mit einem leisen Klacken fiel die Tür hinter ihr in das Schloss.

 

Als Eduard das Hotel wieder betrat, war es noch hell draußen.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Diedie Nerin

Autorin.

20.11.2023 um 23:33 Uhr

was für ein spannendes konzept, die einzelnen geschichten zu einem größeren panoptikum zu verbinden. und besonders dieser 2.teil hat es wirklich in sich. nichts, was in den hotelzimmern passiert, ist wie üblich oder wie erwartet. fast schon philosophisch geht es um ganz andere disziplin, ganz andere qual und um ganz andere (r)einheit. nur zu gern wüsste ich die einzelnen autor:innen der szenen.

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Gelöscht.

31.08.2018 um 23:54 Uhr

Der Portier ist halt verdorben und verloren, die Gäste dagegen sehr schön beschrieben mit viel Kopfkino

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Gelöscht.

19.06.2017 um 23:48 Uhr

Fliessend, fast silbrig kommt die Geschichte daher, fein gewoben. Ästhetisch, aber doch schlicht, und gerade deshalb wunderschön. Der Portier ist jedoch genau das Gegenteil zu den Protagonisten, die wie feine Gemälde über diese Welt ziehen. Er ist grob, fast gierig, wirkt kriminell. Man könnte meinen, dahinter stecke ein alter Mann, gelbgesichtig, und vertrocknet, aber notgeil ohne jede Rücksicht. Die Protagonisten um ihn herum aber sind wie feine Gemälde, kommen daher geschwebt, und verschwinden auch wieder wie ein Hauch. Wunderbar geschrieben !

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Gelöscht.

16.06.2017 um 14:22 Uhr

Geschickt verbinden sich die einzelnen Einzelteile zu einem komplexen Ganzen. Gefällt mir gut, und ich bin gespannt auf den nächsten Teil.

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Gelöscht.

06.04.2017 um 00:51 Uhr

Die einzelnen Teile der schreibenden Zunft fügen sich geschickt zu der großen Einheit zusammen. Der Leidenschaft auf den Zimmern steht Eduard unerfüllt gegenüber. schöne Fortsetzung zum Teil 1.

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Meister Y

Autor. Förderer.

04.04.2017 um 12:41 Uhr

Wieder wirklich toll...

 

Habe ich gestern noch gesagt, dass die Geschichte wie aus einem Guss erscheint, sehe ich heute, wie geschickt hier Teilarbeiten zu einem Ganzen verwoben wurden. Wie sich die Kunst verschiedener Autorinnen und Autoren in ein großes Gefüge einbindet. Ein bisschen erscheint es mir wie beim Bau eines modernen Autos. Schon das, was verschiedene Zulieferer fertigen, ist Spitzenqualität. Zusammen montiert, wird es zum Spitzenprodukt.

 

So langsam entpuppt Eduard sein wahres Ich, erscheint er triebgesteuert, ergeht sich in Gedanken, verliert sich in lüsternem Voyerismus. Wird dabei mit verschiedensten Facetten erotischer Abenteuer konfrontiert, sieht, hört versteht aber meist nicht.

 

Ich wiederhole mich gern, ich bin nach wie vor gespannt, ob er auffliegt...

 

Danke für einen zweiten Teil, der mich noch mehr überzeugt hat. Danke, dass ich diese Zeilen lesen durfte!

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hanne lotte

Autorin. Förderer.

01.04.2017 um 11:35 Uhr

Der pflichtvergessene Portierschlumpf erscheint als Gegenentwurf zu den verschiedenen Gästen des Hotels. Während in den Zimmern immer Leidenschaft in ihren Facetten sichtbar ist, regt sich bei Eduard nur der Trieb und Gefühl wird durch lüsternen Voyeurismus ersetzt. Damit ist er das eigentlich perverse Element der Geschichte.

 

Danke für Teil II im Technikraum

hanne

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