Natürlich will er sie schlagen. Ihr Magen dreht sich, aber an anderer Stelle geschieht viel mehr. Sie hat auf diese Worte gewartet, sehr lange, damals, und weil sie sie niemals gehört hat, provozierte sie immer weiter. Jetzt sitzt sie wieder auf der Schulbank und er will nachholen, was versäumt wurde.
Sie hastet über den Schulhof, rennt beinahe vor die große Glastür und rast die Treppe hinauf, so schnell es ihre Pumps zulassen. Zu spät. Beinahe wie immer, wenn sie in die Schule muss! Nein, nicht muss.
Musste! Jetzt geht sie nur noch ganz selten hin, zu solchen Gelegenheiten wie heute. Elternsprechtag.
Natürlich ist sie in der Firma nicht rechtzeitig fertig geworden, natürlich hat sie danach im Stau des Berufsverkehrs gestanden, nur um wie immer zu spät zu kommen. Ein wenig peinlich ist ihr das schon, denn sie hat den letzten Termin des Tages. Hoffentlich hat Herr Nehwein, der Lehrer ihres Sohnes, auf sie gewartet, und hoffentlich ist er nicht sauer, gewartet haben zu müssen, Für einen Lehrer ist es ja etwas durchaus Ungewöhnliches, so spät am Nachmittag zu arbeiten und dann noch Überminuten zu machen, fügt sie in Gedanken sarkastisch hinzu.
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Kommentare von Leserinnen und Lesern
Gelöscht.
25.11.2022 um 20:59 Uhr
Interessante Phantasie. Erstrebenswerter Zustand? Eher weniger. Sie ist gut geschrieben, logisch aufgebaut. Also so etwas wie solide Handwerksarbeit. Da ich mir vor wenigen Minuten eine Kritik anhören musste, ich sei vielleicht zu ungewohnt direkt in meinen bisherigen Kommentaren, vielleicht auch zu penibel in Urteil und Betrachtung, versuche ich heute einmal nur Sterne zu sehen. Sie sind berechtigt... alle vier.
unglaublich wie viel "Realität" Du hier eine wahrhaft zauberhafte Geschichte gepackt hast. Wie Du herrschende Zustände beschreibst und uns im gleichen Augenblick Platz und Raum gibst, auf der einen Seite das Kopfkino anzuwerfen, auf der anderen Seite über uns selbst nachzudenken. Viele von uns werden die Situation vor der Klassenzimmertür zu sitzen, nicht zu wissen was da gleich genau kommen wird wohl kennen. Meist zur unpassendsten Zeit und meist mit einer fixen Meinung über die, die hinter eben dieser Tür warten.
Ich muss zugeben, dass mich das Ende nicht wirklich überrascht hat. Alles andere wäre ein bisschen zu viel des Guten gewesen.
Danke für wirklich tollen Zeilen, danke, dsss ich sie lesen durfte.
In dieser Geschichte steckt mehr Wahrheit, als es dem Uneingeweihten erscheinen mag. Rein theoretisch fallen mir auf Anhieb verschiedene Kandidaten für diese Art der Nachhilfe ein, aber für die praktische Umsetzung zaubert mein Kopfkino puren Grusel auf den Schirm. Naja.
Starke Geschichte, großartig umgesetzt, emotional und greifbar geschrieben. Musste an einigen Passagen schmunzelt zustimmen, nein es betraf nicht die Schläge vom Lehrer!
Es war mir wieder eine Freude, ein erstklassiges Werk von Dir zu lesen.
Danke für diesen andere Elternsprechtag, hoffentlich bekomme ich beim Nächsten keine Gedanken an Deine Geschichte
Hat sehr viel Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen. Das Bild der im Gang vor dem Klassenraum weggedösten Mutter mit dem leicht verrutschten Rock nehme ich schmunzelnd mit in meinen Tag. Könnte mir glatt selbst passieren, wenn ich an meine Schulzeit zurück denke, aber mein Sohn macht mir da wohl einen Strich durch die Rechnung, er ist ein ganz lieber Schüler. Jedenfalls in der Schule. Hier zu Hause sieht das anders aus.
Vielleicht bestellt mich ja sein Vater mal zum Elterngespräch…?