Wie kannst du es wagen, mich zu dieser Stunde zu stören, Wurm? Mein Leben ist die Nacht, mein Herz schlägt für die Dunkelheit! Hörst du meinen Lederriemen? Wie er nach dir ruft, Käfer, wenn du nicht bald das Maul aufmachst? Und übrigens werden nebenbei gerade die Schnitzel fertig.
Ich stehe in der Küche und schmiere ein Butterbrot. Scheiß Wetter draußen, es ist dunkel, es ist windig, es regnet. Ich brauche Licht in der Küche, um überhaupt genug zu sehen. Ich habe ein klein wenig schlechtes Gewissen, weil ich meinen Sohn gleich zur Schule schicken muss, aber nicht vor habe, auch nur einen Fuß vor das Haus zu setzen. Aber nur ein bisschen!
„Bist du fertig mit Zähne putzen?“, schreie ich Richtung Bad, ohne meine Streichtätigkeit zu unterbrechen. Erst jetzt höre ich, wie sich die elektrische Zahnbürste einschaltet. Diesen kleinen Kerl in der Früh rechtzeitig aus dem Haus zu kriegen, ist Tag für Tag Schwerarbeit! Ich schneide das Brot einmal quer durch, lege zwei Scheiben Schinken darauf, klappe es zusammen und packe es in seine Lunchbox ebenso wie einen kleinen Apfel und zwei Butterkekse. Ich verstaue die Box in der Schultasche und werfe noch einmal einen Kontrollblick rein. Schon klar, das Sammelsticker-Album ist drinnen, aber sein Mathematik-Buch liegt noch auf der Anrichte. Jeder hat so seine Prioritäten, seine sind eindeutig nicht schulischer Natur.
Als er in die Küche kommt, schicke ich ihn gleich ins Bad zurück, weil sein Gesicht nicht von Wasser berührt wurde, wie die Zahnpasta-Reste rund um seinen Mund deutlich erzählen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Wird schon wieder knapp und er hat noch nicht einmal Schuhe an. Ich lausche.
„Könntest du bitte aufhören, dir im Spiegel Grimassen zu schneiden und mal das Wasser anmachen und dein Gesicht waschen!“ schreie ich mit leicht entnervtem Ton. Das Plätschern ertönt umgehend, und ich grinse. Ich schnappe mir seine Schultasche, seine Jacke, seine Turnschuhe und laufe ihm ins Bad nach damit.
Endlich, endlich ist er komplett angezogen und - na ja, nicht unbedingt bereit, aber fertig für den Schulweg. Er ist neun, also entzieht er sich meinem Abschiedskuss, aber es würde ihm fehlen, wenn ich es nicht jeden Tag versuchen würde. „Abmarsch!“ sage ich und schaue ihm nach, wie er die Stiege hinunter läuft.
Als ich die Haustür höre, gehe ich zu meinem Schreibtisch und fahre den PC hoch. Ich stelle die Internetverbindung her und setze mein Headset auf.
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