Ihr war bewusst, dass sie ihn hintergangen hatte. Und nur diesem Umstand war es geschuldet, dass sie Alkohol getrunken hatte. Nach unzähligen Versuchen hatte sie es geschafft, die Tür zu öffnen. Sie schlüpfte hinein, schloss die Augen, massierte ihre Schläfen. Es roch nach Essen. Versteinert blieb sie stehen, ihr Herzschlag setzte für einen Augenblick aus und sie schluckte trocken.
Torkelnd legte sie den Weg vom Garten bis zur Haustür zurück. Mit zittrigen Fingern nestelte sie mit ihrem Schlüssel am Türschloss herum. Konnte es tatsächlich sein, dass sie heute Abend so viel getrunken hatte? Aber es war einfach zu schön gewesen. Sie hatte sich mit einigen Ex-Arbeitskollegen zum Public Viewing in der Innenstadt getroffen, um sich das WM-Endspiel anzusehen.
Und das, obwohl es eigentlich gar nicht dazu hätte kommen sollen. Denn als sie ihm vor einigen Wochen mit klopfendem Herzen eröffnete, dass sie gerne diesen Event besuchen wolle, hatte er nur den Kopf geschüttelt. „Nein, Kleines, zu viele Menschen und du ohne mich. So sorry, aber das Endspiel wirst du dir wohl im Fernsehen ansehen müssen.“ Und damit war die Diskussion für ihn erledigt.
Damals blickte sie ihn empört an und schob unbewusst die Unterlippe vor. Sie setzte nach: „Aber es ist mein Geburtstag. Und ich bin ja mit Wolfgang und Jan und Anja zusammen - du kennst sie doch. Die lassen mich nicht alleine. Und ich darf hinzufügen: Mein achtzehnter Geburtstag liegt schon etwas länger zurück und ich bin tatsächlich bereits erwachsen und kann auf mich selber aufpassen und...“
Stumm und leicht genervt blickte er sie an, schüttelte nochmals kurz den Kopf und ließ sie dann einfach stehen.
Sie kochte innerlich vor Zorn. Es war, verdammt noch einmal, ihr Geburtstag und sie durfte sich doch sonst auch frei bewegen. Natürlich war er unentspannt, wenn sie ohne ihn wegging - was selten genug vorkam. Aber er wusste, er konnte sich auf sie verlassen, also was sollte jetzt diese unangemessen hohe Vorsicht? Sie nahm sich fest vor, ihm ihre Gedanken in einer ruhigen Minute nochmals darzulegen.
Dazu kam es jedoch nicht. Zwei Tage später kam er abends auf sie zu und sah tatsächlich traurig aus. Er sagte: „Mein Schatz, ich kann an deinem Geburtstag nicht bei dir sein. Ich habe an diesem und am darauffolgenden Tag ein Seminar, das ich partout nicht absagen kann.“ Sie schluckte gequält und eine Träne rann ihr über die Wange, woraufhin er sanft lächelte, zwei Finger unter ihr Kinn schob und ihren hängenden Kopf leicht anhob.
So reifte der Plan in ihr, dass sie entgegen seiner Anweisung doch an diesem Abend weggehen würde. Er war nicht daheim, er würde es nicht erfahren und sie wollte sich ja nicht dem Nächstbesten an den Hals werfen. Vielmehr wollte sie sich einfach nur amüsieren, Fußball schauen, lachen, reden und vielleicht sogar ein bisschen unvernünftig sein.
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