Danke Söldner für Deinen Blogbeitrag, den ich zum Anlass nahm, Gregors Veröffentlichung gestern zu lesen. Die verschiedenen Reaktionen in den Kommentaren reizen mich, meine eigene zu begründen.
Pornografie muss sich immer noch verteidigen. Krimis nicht mehr. Gregors Veröffentlichung zähle ich zu den gelungenen. Ich las sein Buch aus Neugier: auf Handwerk, mir Unbekanntes, Nervenkitzel. Motive wie sonst auch.
So wie in Vampirromanen geflogen werden darf, darf in Krimis ein ausgebrannter Kommissar Milieus beschreiben, und dann bin ich auch nicht überrascht, wenn bei Gregor zwei Nachbarinnen oder eine Beate nicht lange zögern, zur Sache zu kommen. Wer zu FemDom-Literatur greift, kriegt FemDom zu lesen.
Ich finde fünf Geschichten vor, die jede für sich einen Erzählstrang hat, Entwicklung und auch unerwartete Wendungen. Sprachlich sind sie angemessen verfasst, die Plots geben was her, die sexuellen Handlungen sind deftig, und ich merke, dass der Autor sich Qualitätsstandards gesetzt hat. Zudem liefert er auch noch Sprachwitz und spielt manchmal mit den Erwartungen des Lesers. Manche Dialoge sind klasse, einige fallen demgegenüber leider etwas zurück.
Die Ich-Erzähler sind verschiedene Persönlichkeiten, Gregor bleibt diskret hinter dem Vorhang und ist allein über Ironie und Kenntnis von Praktiken spürbar. Angenehm spürbar. Denn Gregor schreibt mit Herz. Das Buch ist kaum mit Dominas, sondern mit Dommsen bevölkert, was es mir leichter machte, mich auf das Leseabenteuer einzulassen.
Manche der Situationen sind so intim beschrieben, dass selbst jemand ohne devot-masochistische Neigungen etwas begreifen kann, was ihm selbst fernliegt. Für diesen kleinen Funkenflug danke ich Gregor, denn wozu lese ich sonst? Bei ihm enthält das sadistische Moment auch das der Fürsorglichkeit und Behütung, und die „dunkle Seite der Empathie“ zwischen zwei Menschen wird atmosphärisch greifbar. Mein Respekt! Denn das gelingt nur über Herzblut und Handwerk.
Mir gefiel, dass in den Geschichten recht verschiedene Beziehungsdynamiken entfaltet werden unter dem Dach des FemDom. Auch formt sich das Devote oder Masochistische aus dem jeweiligen Zusammenprall der Personen. Das ist ein Mehrwert, der in der Pornografie meist nicht erarbeitet wird (wahrscheinlich aus Faulheit oder Unvermögen, denn mit Runterschreiben allein funktioniert das nicht).
Die Praktiken sind im bekannten und ausgeübten Rahmen des SM. Sie sind breit gespannt. Wen das abstößt, sollte etwas anderes lesen oder schreiben, aber nicht dem Autor anlasten. Was auch geht: Immer mal zwei oder drei Seiten überblättern. Die Geschichten sind genauso robust wie die Protagonisten und gehen davon nicht kaputt.
Da wird genadelt, gequetscht, gedehnt, Abfallstoffe einverleibt und allerlei andere Physik erotisiert. Auch gehört zum Bestand, dass (gespielte) Nötigung das Setting zusätzlich auflädt. Dieses „nicht anders können“ ist reizvolle Ermächtigung des masochistischen Konterparts, in dem Fall also der Dommse.
Eine allzu bürokratische Anwendung der SSC-Maximen verkennt den in fast allen BDSM-Spielarten enthaltenen Reiz, Autonomie aufzugeben, sich zu verlieren, im Gegenüber aufzugehen (oder vice versa aus Sicht des Sadisten?). In Gregors Geschichten allerdings dauerhaft. In Dauer-Haft der Perversion.
Die Geschichten von Gregor sind keine Bedienungsanleitung, sondern weit voran gedachte Phantasien. Und weil Männer zwei Eier haben, gibt es bei ihm keine halben Sachen.
Dies zu begrenzen, käme einer Geschwindigkeitsbegrenzung im Weltraum für Science-Fiction gleich. Erwachsen sollten Leser aber mindestens sein.
Respekt, Gregor, für den Einblick in eine Anders-Welt.