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Platz 2 im »Schreibwettbewerb: Missverständnis«.
Bevor ich Hara Kira im Park traf, stand ich drei Stunden. Bei unserem letzten Chat hatte sie es so gefordert. »Du stellst dich auf dem Rondell neben die Laterne und wartest dort auf mich. Schau auf den Boden vor dir. Du lehnst dich nicht an. Auch dein Handy ist tabu. Du erscheinst vierzehn Uhr in Joggingkleidung und stellst dich hin. Es wird nicht gesprochen. Alle Spaziergänger ignorierst du. Siebzehn Uhr werde ich zu dir kommen. Also warte.«
Es kribbelte in meinen Lenden. Die Aussicht auf ein Treffen mit einer dominanten Frau elektrisierte mich. Mein Wunsch, einem ihrer Befehle zu folgen, machte mich scharf. Zwanzig Minuten vor der befohlenen Zeit stellte ich mich im Stadtpark an das Rondell. Vier Bänke, vier Skulpturen, vier Wege, eine Laterne. Ich stand, schaute vor mir auf den Boden, nahm Spaziergänger wahr, die vorübergingen. Dabei schaltete ich mein Gehirn auf Sparmodus. Ich dachte an nichts. Mit diesem Trick gelang es mir seit meiner Kindheit, langweilige Situationen zu ertragen. In der Schulzeit half mir dieses Abschalten über langweiligen Unterricht hinweg, in heutiger Zeit beim Warten auf Ämtern oder den Bus, selbst beim langen Sitzen bis zum Aufruf im Wartezimmer eines Zahnarztes.
Ihre Stimme traf mich wie ein elektrischer Schlag.
»Du kannst drei Stunden nahezu unbeweglich stehen. Also besitzt du den Willen zum Gehorsam. Diese Probe ist ein möglicher Anfang für uns. Sieh mich an.«
Ich hob meinen Blick von einem Paar Frauenschuhen, sah kurze, hellblonde Haare, ein fast rundes Gesicht. Nackt kam ich mir unter ihrem aufmerksamen Blick vor. Nach wenigen Sekunden hielt ich diese Strahlung nicht mehr aus, scannte ihren Körper beim Herabschauen. Trotz einer leichten Fülle wirkte die Frau trainiert. Im Vorbeigehen wäre mir nichts an ihr aufgefallen, was auf eine dominante Frau schließen ließ. Weder ihre Jeansjacke, noch die weiße Bluse wirkten streng. Eher girliehaft schien mir ihr brauner Rock, der aus Wildleder bestand. Einzig ihre schwarze Strumpfhose und hochhackige schwarze Schuhe boten mir eine Ahnung von Dominanz. Wieder hob ich meinen Blick, sah große, grün funkelnde Ohrringe.
Sie trat einen Schritt auf mich zu.
»Smaragd, das Paar etwas über dreitausend Euro. So etwas will bezahlt sein. Hast du eine Ahnung, wer mir so etwas finanziert? Denk darüber nach. Wir reden später davon. Ich möchte, dass du jetzt Einsatz zeigst. Du rennst auf mein Kommando rechts zum Haupteingang dann den Innenweg um den Park herum und vom Haupteingang zurück zu mir. Das sind etwa 1500 Meter. Ich erwarte, dass du die Runde in unter sieben Minuten läufst.« Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, drückte darauf herum. »Und los!«
Ich rannte. Ausdauer war für mich kein Problem, allerdings lief ich meist längere Strecken. Wie schnell sollte ich 1500 Meter angehen? Hara verbat mir vor unserem Treffen die Benutzung meines Handys. Also ließ ich es in der Tasche meiner Jogginghose, schlug ein zügiges Tempo an, rannte die Runde um den Park. Als ich vom Haupteingang auf den Weg zum Rondell bog, sah ich die Frau auf der Bank sitzen. Heftig atmend lief ich aus, blieb vor der Bank stehen. Sie sah auf ihr Handy, hob den Blick.
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