Erster Akt - Das Gespräch
Wie konnte es nur so weit kommen? Eine einfache Frage, deren Antwort sogar noch simpler war. Trotz aller Mühe und Geheimnistuerei hatte er sich quasi selbst verraten. Sie sollte ihm nur beim Umzug helfen, von einer Wohnung in eine andere. Keine große Sache, die meisten Kisten waren schon gepackt und entsprechend beschriftet. Mit weiblichem Instinkt hatte sie allerdings genau die falsche geöffnet und seine besondere Spielzeugsammlung darin gefunden. Und nun saßen sie sich in dem kleinen Kaffeehaus gegenüber, um über die Auswirkungen dieses Fundes zu sprechen.
Die Sonne war inzwischen hinter den Nachbargebäuden versunken, sodass der Himmel in das fahle Licht der Abenddämmerung getaucht wurde. Die Rushhour hatte endgültig eingesetzt und die Straße war gefüllt mit Leuten, die ihrem Feierabend entgegeneilten. Da die wenigsten Interesse hatten, sich noch auf einen kleinen Braunen zusammenzusetzen, war das Kaffeehaus dementsprechend schwach besucht. Ein Umstand, der den Beiden bei ihrem Gespräch nur zum Vorteil gereichte.
»Warum ich?«, wollte Sebastian schließlich von der Frau wissen, die ihm an dem runden Tisch gegenüber saß. Im Gegensatz zu seinem schmutzigbraunen Haaren waren ihre von der rotbraunen Farbe schimmernder Kastanien. Beide trugen Alltagskleidung, die sich kaum von denen der anderen Besucher unterschied, und über den Lehnen ihrer Stühle hing das, was man gemeinhin als Übergangsjacke kannte.
Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn und erwiderte den Blick seiner braunen Augen mit ihren graugrünen Gegenstücken. »Du bist nicht der Einzige, der sich mit der Thematik auskennt«, kam Ninas prompte Antwort. »Ich habe allerdings recherchiert, und wie der gesunde Menschenverstand bestätigt, sollte man sich nicht einfach einem Wildfremden anvertrauen. Denn da kann eindeutig viel zu viel schiefgehen.« Mit einem mehr sicht- als hörbaren Seufzer senkte sie den Blick, um alibihalber in ihrer Kaffeetasse zu rühren. »Schon als wir uns das erste Mal getroffen haben, fand ich dich ganz nett. Seit unsere Eltern zusammen sind, hatte ich genug Gelegenheit, dich besser kennenzulernen. Du bist keiner, der unschuldigen Mädchen Gewalt antut. Es sei denn natürlich, sie wollen es. Und ...«
Ihre Offenheit überraschte ihn, sodass er einen Moment benötigte, um zu reagieren. Er mochte vieles sein, aber ein Teil von ihm war genau das, was Nina suchte. In dieser Rolle konnte er ziemlich hartnäckig sein, wenn ihm jemand etwas vorenthielt. »Und?«, wollte er daher wissen und kaschierte die eigene Neugier mit seiner Version eines dominanten Untertons.
Womit er offenbar genau den richtigen Nerv getroffen hatte, denn Nina erwiderte fast sofort: »Und ich vertraue dir. Zufrieden? Du bist einfach jemand, auf den man sich verlassen kann. Und das würdest du nicht ausnutzen, daher möchte ich, dass du mir dabei hilfst.«
Melde dich bitte an.