Fenja starrt auf das Päckchen in ihren Händen. Dass sie es nicht öffnen darf, ist der Beginn heißer Spekulationen, die ihr Herr am Telefon befeuert. Kann sie erraten, was sich darin befindet? Es ist schwer, und vielleicht ist der Inhalt doch ein ganz anderer als gedacht.
Fenja hob die Putzmittelflasche. Ein paar Spritzer auf den Tisch, dann kräftig schrubben. Flasche und Putzlappen wieder zurück ins Holster an ihrer Hüfte und heraus mit dem Trockentuch. Den Trick hatte Tim ihr gezeigt. Ein Werkzeuggürtel war ungeheuer praktisch beim Putzen. Man konnte hin und her gehen und hatte trotzdem alles griffbereit. Außerdem mochte sie den breiten Lederriemen um ihre Taille. Sie schnallte ihn immer ein wenig fester als nötig.
Nach dem Abwischen der Fensterbank, so summte es in ihren Gedanken, schnell die Wäsche runterbringen, dann ist die Maschine fertig, wenn ich gerade das Bad erledigt habe. Hausarbeiten mochte ja niemand. Spritzflasche heraus, Psit-Psit, wischen und trocknen. Du-Di-Dum! Es lief wie am Schnürchen! Manchmal wurde es sogar zu einem Tanz, einem regelrechten Geschicklichkeitsspiel. Dann war sie ganz bei sich selbst, ganz präsent und echt. Kein Platz für Gedankenchaos. Das war schön.
Wenn sie sich dann noch vorstellte, Tim wäre da, stünde hinter ihr, in seinen Händen die Reitgerte - lächelt sein böses Lächeln, beobachtet sie wie ein Falke, ist streng und manchmal unfair und hat solchen Spaß daran, sie zu knechten. Ein wohliger Schauder fuhr ihr den Rücken hinunter, als sie daran dachte. So wurde die Hausarbeit zu etwas sehr Aufregendem. Ihr Zuhause glänzte immer, seit sie ihn kannte.
Manchmal zwang er sie ja, unmöglich hochhackige Schuhe zu tragen, während sie sich abmühte. Und hautenges Gummi, das über ihre Haut schabte und glitschte, wo es mit Gleitgel versehen war - oder es immer Feuchtigkeit hatte, wenn es soweit war. Ihre Gedanken wanderten zum Schrank. Da standen die schwarzen Stiefel mit der Schnürung, die sich so richtig festzurren ließ.
Sie seufzte. Nein, das durfte sie nicht. Nicht, wenn er nicht da war. Regeln waren Regeln und sie wollte eine gute Sub abgeben. Freilich, Strafe gefiel ihr, gefiel ihr sogar sehr, aber ihn zu enttäuschen, das kam nicht infrage. Egal, wie groß die Versuchung war. Sie presste ihre Hand auf ihren Bauch, das musste sein. Erst wollte sie nur fühlen, wie ihr Atem ging, dann noch etwas fester, bis das Luftholen nicht mehr so einfach war. Schön! Verführerisch! Aber kein Ersatz zu seinen Fingern. Sie waren grob und grausam, wenn er es wollte, aber immer auf ihre Weise mitfühlend und zugewandt.
»Konzentrier dich!«, schalt sie sich. »Wenn du zu sehr in Gedanken abschweifst, verlierst du den Flow und dann ist es nur noch öde Hausarbei...«
Vorfreude, Gedanken, Vorstellungen, Fantasie, große Erwartungen, Furcht und Kribbeln. Was passiert im Kopf eines Menschen, wenn es um BDSM geht. Das gedankliche Spiel nicht nur um SM sondern mehr noch um Dominanz und Submission empfand ich im Kontext des Wettbewerbsthema als gut ausgearbeitet und gratuliere dir herzlich zum Zweiten Platz.
Danke, poet, ich hatte hier das Kopfkino im Sinn. Kleine Dinge, die doch ein Bedeutung haben und Phantasien anstossen können. Es freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefallen hat
Ich liebe Texte, die von rein körperlichen Beschreibungen weggehen und andere Ebenen betreten. Die sich wie hier in der Fantasie abspielen, die so viel mächtiger ist als die Realität. In der man sich Vorstellungen hingeben kann, die das übersteigen können, was man real ertragen könnte. Dieses Spiel hast du fantastisch ausgelotet. Gratulation zum verdienten 2.Platz!
schön geschrieben, keine Frage: persönlich neige ich ein wenig dazu, mir das Szenario vor Augen zu halten....und wenn ich das dann auf die schnöde Realität runterbreche und mir vorstelle, ggfs. derjenige zu sein, der vor der Tür steht und ne ganze Weile über die Möglichkeiten des Inhalts und den damit verbundenen Erwartungen philosophiere, dann platzt auf einmal die Fantasieblase und ich bin schlagartig geerdet. Das macht der Text mit mir - so schön er geschrieben ist - ich könnt s in der Qualität sicher nicht! Dennoch herzlichen Glückwunsch zum 2. Preis!
Lieber Meister Y, danke für dein Lob. Ich habe mich ganz in das Thema "Kopfkino" reingedacht, dazu sozusagen ein besonderes "Päckchen" geschnürt. Fenja einzuführen war etwas schwierig, denn ich wolle ihre Reaktionen und Persönlichkeit zeigen, aber damit auch nicht übertreiben und den Geschichtsfluss stören. Offenbar ist mir das aber gelungen, wenn du die Geschichte so positiv empfunden hast. Danke für deinen Kommentar
Die Gefühlswelt ist manchmal nicht einfach einzufügen, denn es wird schnell zu viel. Um so mehr freut es mich, dass es für dich geklappt hat Christina Saphir.
Dank dir Ambiente, der "Meister des Kopfkinos" war eine besondere Ehre für mich.