Keine Sekunde dachte er daran, irgendetwas von den gemeinsamen Dingen an Fremde zu verkaufen. Erinnerungen werden nicht verscherbelt. Auch den letzten Haken hat er demontiert, jedes Einrichtungsstück zerkleinert, jedes Gitter zerlegt, alles zur Deponie gefahren. Lederzeug, Bänder, Spielkram, Kleidung, alles ohne hinzusehen in den Restmüll. Alles weg, nur weg.
Am späten Vormittag hatte sich die Farbe des Himmels verändert. Das bisher helle Grau verwandelte sich, wurde intensiver, drückender, überzog als gleichmäßig dichte Decke die Stadt und schuf durch Zugabe von ein wenig Blau einen dieser seltenen Schneehimmel, zwielichtig, sanft und ruhig. Stille legte sich auf die Vorstadtstraßen, schlich um die Häuser, sammelte sich in den Vorgärten und drang durch Fenster, Türen und Wände in die Wohnungen der Menschen.
Eine Erwartung von Schnee verstärkte die Ruhe des Sonntags. Um die Mittagszeit begann es zu schneien, erst zögernd, dünn und kaum wahrnehmbar, nach kurzer Zeit leicht, gleichmäßig und doch schon so intensiv, dass sich die Amseln aus den Beeten der grauschwarz gefärbten Stauden zurückzogen, um als dicke, schwarze Steine, ohne erkennbare Bewegung in den Zweigen der Holunder zu sitzen.
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Kommentare von Leserinnen und Lesern
Fuchsmädchen
Gelöscht.
04.01.2024 um 23:00 Uhr
Ich habe diese Müdigkeit in der Geschichte genossen. Trennungen hat fast jeder schonmal erlebt, die sind immer traurig, leider aber nicht immer so friedvoll wie hier. Danke für einen schönen Leseabend!
Über jeder Zeile, in jedem Wort liegt eine stille Trauer. Keine Vorwürfe, kein Selbstmitleid, nur Trauer. Sie zerstört nicht, sie ist wie eine Decke, die schützt und auf Abstand hält, was man nicht ertragen kann.
Gleichzeitig habe ich die Kraft gespürt, die aus guten Erinnerungen erwächst, aus Bildern, Klängen, Worten, die man für immer in sich trägt.
Ich muss gestehen, dass ich bis eben nicht einmal geahnt habe, mit welch einfühlsamer, berührender Sprache, mit welch geschickt gemalten Bildern, man einen Abschied beschreiben kann. Ergreifend, mich nicht wirklich traurig machend. Eher ein absoluter Schlussstrich mit der Hoffnung auf einen Neubeginn an altem Ort.
Eines hat für mich ganz besonders gepasst. Wenn ich jetzt, in diesem Moment, aus dem Fenster sehe, dann versinkt die Welt draussen im Schnee.
Das Geschriebene nimmt einen mit. Ergreifend und melancholisch, wie ich finde.
Auch wenn die Geschichte keinen Spannungsbogen enthält, ist sie berührend. Es liest sich eher wie eine Passage aus einer größeren Geschichte oder einem Buch.