Eine persönliche Anmerkung vorweg: In seiner Urfassung enthielt diese Geschichte Textzeilen aus dem Lied »No More Tears (Enough is enough)« von Barbra Streisand und Donna Summer. Diese konnte ich allerdings aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Text belassen und beschränke mich daher darauf, den Titel des Liedes aufzugreifen. Wer es genau wissen will, findet das Lied natürlich im Netz.
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Genug ist genug.
Bettina rührte sich nicht. Wie in Trance starrte sie aus dem Fenster auf das schmutzige Grau der Betonwände, das im Licht der vorüberfliegenden Neonleuchten sekundenlang aufflackerte und wieder verlöschte. Die Kopfhörer ihres MP3-Players und der Sitzplatz, den sie ergattert hatte, isolierten sie vollständig von den übrigen Fahrgästen, die im Feierabendverkehr dicht gedrängt in den Gängen der U-Bahn standen.
Genug ist genug.
Der Disco-Beat des alten Donna-Summer-Songs grub sich mit jeder Wiederholung tiefer in ihr Hirn, mischte sich mit den gleichmäßigen Erschütterungen der Räder auf den Schienenschwellen. Ihre Finger krampften sich um die Tasche, in der sie ihre monatliche Gehaltsabrechnung trug. Diesmal würde der Betrag nicht mehr ausreichen, ihr Konto auszugleichen.
Genug ist genug.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
Es war genug, in der Tat.
Seit fast zwei Jahren hatte Michael keine Arbeit mehr und in den letzten Monaten hatte er nicht einmal mehr Anstalten gemacht, sich eine zu suchen. Angesichts seines abgebrochenen Studiums und seines haarsträubenden Lebenslaufes standen seine Chancen, einen Job zu finden, der seinen überzogenen Ansprüchen genügte, tatsächlich schlecht. Die wenigen halbherzigen Bewerbungen, die er auf den Weg gebracht hatte, hatte man ihm postwendend wieder zurückgeschickt. Es hätte einer besonderen Findigkeit und beharrlicher Willenskraft bedurft, um trotz dieser widrigen Umstände beruflich wieder Fuß zu fassen, und mit beidem hatte das Schicksal ihn nicht gerade großzügig ausgestattet.
Er schätzte es nicht, sich anstrengen zu müssen. Rückschlägen, Hindernissen und Frustrationen ging er am liebsten weiträumig aus dem Weg. Sollten doch andere nach ehrgeizigen Zielen streben und dabei ihre kostbare Lebenszeit opfern! Er war für diese Art von Eifer nicht geschaffen. Viel lieber machte er es sich nett. Er genoss es, in den Tag hinein zu leben, sich an den kleinen Dingen zu freuen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Und ganz besonders liebte er es, Geld auszugeben - jenes Geld, das sie mit ständig steigenden Überstunden und nächtlichen Bereitschaftsdiensten verdiente.
Sein Konsum war nun freilich kein Ausdruck selbstsüchtiger Gier, sondern diente in erster Linie ihrem gemeinsamen Vergnügen. Er buchte Ausflüge in luxuriöse Wellness-Tempel, schenkte ihr sündhaft teure Spitzenunterwäsche oder erstand handgefertigte Lederpeitschen und antik anmutende Eisenfesseln, um sie leiden zu lassen wie eine Königin. Das Dumme war nur, dass sie sich diesen Luxus auf Dauer nicht leisten konnten. Ihn allerdings schien das nicht weiter zu bekümmern.
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