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Am Ende des Tages

Noch nie zuvor in ihrem Leben war sie mit einem Mann so unglücklich gewesen. Er mochte ein wunderbarer Liebhaber sein. Aber am Ende des Tages waren es andere Dinge, die zwei Menschen zusammenhielten. Deshalb würde sie ihre Beziehung heute beenden.

Eine BDSM-Geschichte von Campanula.

  • Info: Veröffentlicht am 18.07.2021 in der Rubrik BDSM.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

Eine persönliche Anmerkung vorweg: In seiner Urfassung enthielt diese Geschichte Textzeilen aus dem Lied »No More Tears (Enough is enough)« von Barbra Streisand und Donna Summer. Diese konnte ich allerdings aus urheberrechtlichen Gründen nicht im Text belassen und beschränke mich daher darauf, den Titel des Liedes aufzugreifen. Wer es genau wissen will, findet das Lied natürlich im Netz.

 

***

 

Genug ist genug.

 

Bettina rührte sich nicht. Wie in Trance starrte sie aus dem Fenster auf das schmutzige Grau der Betonwände, das im Licht der vorüberfliegenden Neonleuchten sekundenlang aufflackerte und wieder verlöschte. Die Kopfhörer ihres MP3-Players und der Sitzplatz, den sie ergattert hatte, isolierten sie vollständig von den übrigen Fahrgästen, die im Feierabendverkehr dicht gedrängt in den Gängen der U-Bahn standen.

 

Genug ist genug.

Der Disco-Beat des alten Donna-Summer-Songs grub sich mit jeder Wiederholung tiefer in ihr Hirn, mischte sich mit den gleichmäßigen Erschütterungen der Räder auf den Schienenschwellen. Ihre Finger krampften sich um die Tasche, in der sie ihre monatliche Gehaltsabrechnung trug. Diesmal würde der Betrag nicht mehr ausreichen, ihr Konto auszugleichen.

 

Genug ist genug.

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Es war genug, in der Tat.

 

Seit fast zwei Jahren hatte Michael keine Arbeit mehr und in den letzten Monaten hatte er nicht einmal mehr Anstalten gemacht, sich eine zu suchen. Angesichts seines abgebrochenen Studiums und seines haarsträubenden Lebenslaufes standen seine Chancen, einen Job zu finden, der seinen überzogenen Ansprüchen genügte, tatsächlich schlecht. Die wenigen halbherzigen Bewerbungen, die er auf den Weg gebracht hatte, hatte man ihm postwendend wieder zurückgeschickt. Es hätte einer besonderen Findigkeit und beharrlicher Willenskraft bedurft, um trotz dieser widrigen Umstände beruflich wieder Fuß zu fassen, und mit beidem hatte das Schicksal ihn nicht gerade großzügig ausgestattet.

Er schätzte es nicht, sich anstrengen zu müssen. Rückschlägen, Hindernissen und Frustrationen ging er am liebsten weiträumig aus dem Weg. Sollten doch andere nach ehrgeizigen Zielen streben und dabei ihre kostbare Lebenszeit opfern! Er war für diese Art von Eifer nicht geschaffen. Viel lieber machte er es sich nett. Er genoss es, in den Tag hinein zu leben, sich an den kleinen Dingen zu freuen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Und ganz besonders liebte er es, Geld auszugeben - jenes Geld, das sie mit ständig steigenden Überstunden und nächtlichen Bereitschaftsdiensten verdiente.

Sein Konsum war nun freilich kein Ausdruck selbstsüchtiger Gier, sondern diente in erster Linie ihrem gemeinsamen Vergnügen. Er buchte Ausflüge in luxuriöse Wellness-Tempel, schenkte ihr sündhaft teure Spitzenunterwäsche oder erstand handgefertigte Lederpeitschen und antik anmutende Eisenfesseln, um sie leiden zu lassen wie eine Königin. Das Dumme war nur, dass sie sich diesen Luxus auf Dauer nicht leisten konnten. Ihn allerdings schien das nicht weiter zu bekümmern.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Campanula

Autorin.

26.01.2022 um 22:11 Uhr

Danke, @treasure, für deinen emotionalen Kommentar! Die Abwägung, ob es besser ist, zu bleiben oder zu gehen, ist alles andere als einfach, und vielleicht fällt sie umso schwerer, wenn das, was hält und bindet, im emotionalen und erotischen Bereich zu finden ist. Wäre er finanziell verlässlich, ansonsten aber kalt wie Hundeschnauze und im Bett eine Enttäuschung, wäre sie womöglich schon längst weg.

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25.01.2022 um 12:53 Uhr

Puuh, ich denke es gibt ganz viele Menschen, die sich in dieser Geschichte wiederfinden.

Das geht bei ganz tief in die Magengegend.

Wie @Amadeus schon sagte, "kluge" Ratschläge helfen in solchen Situationen nicht.

Solange das Herz/das Gefühl/was auch immer den Verstand austrickst kommt man nicht weiter.

 

Das Dilemma ist sehr anschaulich dargestellt.

Vielen Dank für den Spiegel.

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Gelöscht.

03.01.2022 um 21:59 Uhr

Die besondere Qualität dieser Geschichte ist ihre Universalität. Der Konflikt ist nicht unbedingt auf den Rahmen "BDSM" angewiesen. Sie würde auch in anderer Konstellation funktionieren. Es geht doch um eine "Message", was will der Autor(in) sagen? Die Protagonistin ist hier in der komfortablen Situation sich frei entscheiden zu können. Sie muss auf keine gesellschaftlichen Konventionen, keine Kinder, keine finanzielle Abhängigkeiten usw. Rücksicht nehmen. Sie kann ihre Prioritäten eigentlich ganz einfach definieren. (ist aber eben nicht einfach) Nicht jede Story erfüllt alle Ansprüche von allen Lesern zu jeder Zeit und zu jedem Zweck. Muss sie auch nicht! Meinen ganz persönlichen Geschmack trifft sie ziemlich genau. Sie ist halt mal nicht lustig, nicht erotisierend, nicht phantasieanregend. Sie thematisiert ein ganz allgemeingültiges Dilemma, welches in jeder Partnerschaft existent ist. Sicher nicht in dieser speziellen Ausprägung, aber ähnlich. Das macht für mich Literatur im positiven Sinne aus. Danke

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Campanula

Autorin.

03.01.2022 um 14:22 Uhr

@Amadeus Das mit den "klugen" Ratschlägen ist immer so eine Sache. Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck "to come full circle". Das beschreibt noch schöner als das deutsche "Der Kreis schließt sich", dass da jemand sich fortbewegen muss. Manchmal muss eine einmal um den ganzen Kreis herumlaufen und sich zuletzt am Anfang wiederfinden, bis sie begreift, dass es innerhalb des Systems keinen Ausweg gibt. Und es dauert dann eben so lange, wie es dauert. Da helfen leider keine klugen Ratschläge und das Dumme ist, dass auch das Gehirn an diesen Abhängigkeiten beteiligt ist. Großhirnrinde hat mitunter weitaus weniger Macht, als uns lieb ist.

 

@Dirk Andebill Danke für deine lieben Worte! Allzu viele Geschichten gibt es hier auf dieser Plattform ja noch nicht, aber die eine oder andere werde ich sicher noch nachreichen.

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02.01.2022 um 22:36 Uhr

Eine elegant, nachfühlbar, glaubwürdig beschriebenes Dilemma.

Auch wenn das Ende vorhersehbar war, ist der Spannungsbogen geschickt aufrecht erhalten worden.

Ich freue mich schon auf die neuen Geschichten.

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Gelöscht.

13.10.2021 um 14:16 Uhr

sorry! muß natürlich heißen: Da weiß einer ganz genau... (bei allem Rumge-gendern, hier ist es bedeutsam!)

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Gelöscht.

13.10.2021 um 14:12 Uhr

Eine wirklich traurige Geschichte, tausendfach so oder ähnlich passiert. Man ist geneigt vermeintlich "kluge" Ratschläge zu geben. Zwecklos! Der Istzustand der Welt offenbart es: Es gibt Entscheidungen, die sollten mit dem Gehirn getroffen werden. Da weiß eine ganz genau, wo der Frosch die Locken hat! 'Wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein.' Danke für den "Spiegel", gefällt mir!

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Campanula

Autorin.

31.08.2021 um 23:39 Uhr

Ihr Lieben, endlich finde ich die Zeit, eure Kommentare nicht nur zu herzen, sondern sie auch zu beantworten:

 

Luna Ery In einem anderen Forum las ich in einer Geschichte einmal den schönen Satz: "Denn das, was sie an ihm geliebt hatte, war ja immer noch da." Genau das ist wohl das Dilemma einer jeden Trennung. Sofern man nicht solange bleibt, bis auch noch das letzte Bröckelchen Liebe zerfetzt im Staub liegt, wird es immer Dinge geben, die uns binden. Dinge, die wir lieben, an denen wir hängen, die uns so nah und vertraut geworden sind, dass es schwer ist, sich ein Leben ohne diese Dinge vorzustellen. Wenn es sich bei diesen Dingen dann auch noch um hinreißenden Sex handelt, wird es doppelt schwer. Was am Ende des Tages zwei Menschen zusammenhält, wird sich Außenstehenden vermutlich nie vollständig erschließen.

 

Laval Ein bisschen Abhängigkeit steckt wohl in jeder Liebe. Ich zumindest kann von mir nicht behaupten, völlig autark zu lieben.

 

Hans Bergmann Ach, herrlich, wenn eine Geschichte so turbulente Gefühle auslöst! Und interessant, wie du ihn siehst, denn ich nehme ihm durchaus ab, dass er sie wirklich liebt. Er nutzt sie nicht einfach nur kaltblütig aus, er hängt genauso an ihr wie sie an ihm. Zumindest war das mein Bild von ihm. Aber was weiß ich schon. Ich bin nur die Autorin. Wirklich fertig und vollständig wird die Geschichte sowieso immer erst im Kopf der Lesenden. Insofern freut es mich umso mehr, dass du mir einen Blick in deinen gewährt hast!

 

suesse Beute Ja, die Libido siegt vorerst. Aber morgen!

 

Rene Raimann Ach, das ist ein schönes Kompliment, dass du das, was ich erzählt habe, glaubwürdig findest, umso mehr, als dir das Ende gegen den Strich ging! Ob so eine Trennung in einer Vanilla-Beziehung leichter wäre, darüber haben wir weiter oben schon diskutiert. Die erotische Harmonie zwischen den beiden macht es jedenfalls nicht einfacher.

 

Ambiente Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Ich freue mich immer riesig, wenn meine Silbenspinnereien Anklang finden, bin ich doch selbst so verliebt in Worte und Formulierungen, dass es einfach schön ist, auf Gleichgesinnte zu treffen. Danke für dein Lob und deinen Zuspruch!

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Ambiente

Autorin. Förderer.

30.08.2021 um 21:12 Uhr

Liebe Campanula,

 

Auch diese Geschichte von Dir glänzt durch Deine feine Art der Wortfindungen.

 

Ich mag Deine Art zu schreiben und freue mich schon auf Deine nächste Geschichte.

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Rene Raimann

Autor(in).

30.08.2021 um 21:01 Uhr

Also "voraussehbar" - - je nun - mag sein. Aber für einen Leser wie mich, der von der Natur und Funktionsweise einer solchen BDSM-Beziehung keine Ahnung hat bleibt doch die Hoffnung, dass Bettina, wenn auch devot veranlagt, vielleicht doch genug Selbstachtung in sich trägt, diesen Kerl rauszuschmeissen. Im Vanille-Leben wäre das womöglich leichter, logischer. Aber mit dieser zweiten Beziehungsebene D&s haben die beiden doch ganz andere Karten auf der Hand.

Auch wenn es mich tierisch nervt, dass sie am Ende DOCH klein bei gibt, GLAUBE ich dir, liebe Campanula

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