Deine Sexualität folgt nicht der gängigen Norm. Du empfindest einzig Lust dabei, Frauen zu beherrschen. Du liebst es, ihnen Schmerz zuzufügen. Und jetzt liege ich hier, die Handgelenke an meine Knie gefesselt, die Lippen durch einen Knebelball auseinandergezwängt.
Es ist warm im Keller. Eine Fußbodenheizung sorgt dafür, dass ihre Füße nicht auskühlen, wenn sie lange steht. Manchmal steht sie sehr lange. Und manchmal ist sie tagelang allein. Der Lichtschacht, der hoch oben in die Decke eingelassen ist, streut einen milchigen Schein auf die antik anmutenden Terracottafliesen. Wenn es regnet, hört sie das Prasseln der Regentropfen auf dem blinden Glas.
Es ist erstaunlich, wie viele Geräusche die Stille in sich trägt. Das monotone Flüstern der Belüftungsanlage. Das Knacken und Knarren der Balken. Das Gurgeln der Wasserrohre. Das Quietschen der Federung unter ihrer Matratze. Ihren Atem, der an den Nasenflügeln entlang streicht. Das Geräusch einer Buchseite beim Umblättern. Den weichen Klang ihrer Sohlen auf dem Fliesenboden. Das metallische Klirren, das ihre Schritte begleitet.
Ein Geräusch gibt es, das sie mehr als alle anderen erwartet, eines, das sie jedes Mal kerzengerade und wach werden lässt: die rasche Sequenz von sechs elektronischen Pieptönen, gefolgt von einem gleichmäßigen Surren und Klacken. Sie lässt ihr Buch sinken und richtet sich auf. Merkwürdig, dass ihr noch immer das Herz bis zum Hals schlägt, wenn er den Raum betritt. Seine Hände verrichten die üblichen Rituale, prüfen den Thermostat, legen ein paar Bücher auf den Nachttisch, schenken Wasser nach und füllen den Napf, der auf dem Fußboden steht.
Aufmerksam sieht sie ihn an, wartend, geduldig, hellwach. Die Kette klirrt, als er ihr das Halseisen abnimmt. Er fasst sie am Arm und führt sie in die Mitte des Raumes, dorthin, wo mit zwei Schritten Abstand die beiden Holzbalken bis zur Decke ragen. Jede seiner Gesten ist ihr zutiefst vertraut. Die elegante, beinahe zärtliche Bewegung, mit der er ihr das Seil um das Handgelenk schlingt. Seine Hand, die ihre Fußgelenke umfasst. Die ruhige Entschlossenheit, mit der er die Aufhängung straff zieht. Die federnde Gebärde, die ihr den Knebel in den Mund drückt, ehe er das Ledergeschirr an ihrem Hinterkopf verschließt. Wäre da nicht der Ausdruck in seinen Augen, man könnte meinen, er sei ganz im Einklang mit sich.
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09.06.2022 um 11:59 Uhr
Die Beschreibung der absoluten Stille, die keine Stille ist, kann nicht treffender sein. Nur wenige nehmen sich noch die Zeit und Gelegenheit, dieser "Stille" nicht nur mal eben im Urlaub ein wenig zu lauschen. Wer sie nur ein Mal wirklich genießt, weiß wieder wieviel Kraft und Energie in dieser vermeintlichen Ruhe an uns sekündlich vorüberzieht.
Schmerz bekämpfen? In den meisten Fällen wird dieser nur verdrängt, nicht bekämpft. Manchmal töten wir ihn auch in uns, um Jahre später festzustellen, dass wir dadurch vor allem einen Teil in und von uns selbst töteten.
Geruch von Zigarillos, am liebsten mit einem Hauch von Vanille und vermischt mit der unaufdringlichen Kraft von dunklem Brasil ... lang ist es her. Der Klang des Salzburger Dialektes noch ziemlich frisch. Drei Jahre sind eine kurze Zeit.
Konnte mich gut hineinversetzen, wenn auch kein Protagonist nach meinem Geschmack. Ihre Gedankenwelt ist mir näher. Was nimmt man auf sich? Wie weit ist richtig? An welchem Punkt befindet sich die berüchtigte weiße Linie? Wieviel ist gut und wann ist es gut damit?
Die Gesellschaft meint allgemeingültige Antworten geben zu können. Oft in Form von Gesetzestext. Was wir oft bei allem vergessen: Jeder Mensch ist auch Individuum und deshalb individuell. Dem als Menschheit gerecht zu sein, sind wir weit entfernt. Sehr weit. Vieles von dem, was sich als Individualität (oft mit dem Deckmäntelchen, es wäre ja Kunst) verkauft, ist bestenfalls komisch, oft jedoch nur banal und lächerlich.
Schön, wenn man Menschen trifft, die den Kopf wirklich für jenes benutzen, wofür vorhanden. Zum Denken. Und um jeden Irrtum hier gleich auszubremsen: Denken und Fühlen sind keine Gegensätze, sie gehören zusammen.
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