Standhaft blickte ich in graue Augen. Nun galt es, Ruhe zu bewahren und Stärke zu zeigen. Ich war mir meiner sicher, schließlich hatte ich viele Jahre maßgeblich zum Erfolg der Firma beigetragen. Oder etwa nicht?
Viele Geschichten wirken seltsam. Man hört oder liest sie und kann sich nicht vorstellen, dass so ein Quatsch in der Wirklichkeit passiert. Allerdings bin ich mit Wertungen vorsichtig. Meine Vorsicht beruht auf eigenen Erfahrungen.
Mit der Nachricht vom Weggang des alten Wagner begann in meinem Leben genau so eine Geschichte. Er hatte vierzig Jahre lang seine Firma geführt. Ich habe dort zwanzig Jahre lang gearbeitet, als Lehrling begonnen, dann als Kaufmann geschafft und mich bis zum kaufmännischen Geschäftsführer hochgearbeitet, immer sportlich, stets dynamisch und jederzeit konstruktiv.
Denke ich heute zurück, wirkt mein eigenes Leben auf mich wie das eines Fremden. Es liegt von der Vergangenheit umnebelt und nicht greifbar hinter mir. In guten Stunden scheint mir meine Zeit unter Wagner wie ein lange vergangenes, romantisches Märchen, obwohl er erst vor zwei Jahren ging.
Sein Ausstieg überraschte mich nicht. Er sprach oft davon, kündigte es lange vorher an und pünktlich zu seinem sechzigsten Geburtstag stellte er jegliche Tätigkeit für seine Firma ein. Wagner wollte sein Unternehmen an mich verkaufen, er machte mir ein Angebot. Und ich? Gezaudert habe ich, zu viel kalkuliert und meine Chance totgedacht.
Kurz vor Weihnachten kam der endgültige Abschied. Auf seiner großzügigen Feier hatte mich Wagner ein letztes Mal gefragt, ob ich nicht doch seine Firma übernehmen möchte. Er könne mir auch in den monatlichen Raten der Abzahlung so entgegenkommen, dass ich ihn aus Gewinnen zahlte und nicht einmal einen Kredit aufnehmen müsse.
Ich rechnete noch während der Feier sein Angebot in einigen Varianten durch. Wenn der Umsatz blieb wie bisher, war mir in fünfzehn Jahren die Tilgung aller Raten möglich. Danach würde mir die Firma nicht nur auf dem Papier, sondern auch ohne Schulden gehören. Ich würde von diesem Zeitpunkt an gewinnen, richtig Geld verdienen. Allerdings bliebe mir während der ersten fünfzehn Jahre nicht mehr als mein jetziges Gehalt zum Leben. Sollte ich einen Teil meines Lebens dafür opfern, Unternehmer zu werden? Sollte ich weitere fünfzehn Jahre mit harter Arbeit im selben Lohnniveau wie bisher verbringen? Niemand gab mir eine Garantie auf Erfolg. Weshalb also? Mein gutes Gehalt reichte mir, ich zahlte eine Menge Geld in meine Rentenversicherungen und lebte ziemlich gut. In fünfzehn Jahren war ich sechzig. Was sollte ich dann mit großem Geld? Ich hatte, was ich brauchte. Gier nach immer mehr Eigentum gehört nicht zu meinen Charaktereigenschaften. Nein, das unternehmerische Risiko schien mir zu groß. Ich lehnte ab.
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