Jeden Tag frage ich mich, ob du erkennst, was ich so mühsam hinter meiner Fassade verstecke? Merkst du, welche Angst und Selbstzweifel du in mir auslöst? Aber auch, welche Fantasien du in mir weckst? Ist es überhaupt möglich, sich im echten Leben gegenseitig zu erkennen?
Ich sitze im Auto und kann nicht aufstehen. Herzrasen und Angst durchfluten mich. Ich weiß, gleich kommt der Moment, an dem ich an dir vorbeigehen muss. Ich habe keine andere Wahl. Jeden Tag muss ich mehrmals an dir vorbei und frage mich, erkennst du, was ich so mühsam hinter meiner Fassade für die Umwelt verstecke? Merkst du, wie sehr du mich einschüchterst, welche Angst und Selbstzweifel du in mir auslöst? Aber auch, welche Fantasien und welchen Hunger du in mir weckst?
»Steh auf!«, sage ich mir. »Geh jetzt endlich los! Du kannst hier nicht ewig im Auto sitzen bleiben!«
Noch schlimmer ist es, wenn du nicht am Eingang stehst und ich nicht weiß, wo du bist. Schaust du gerade durch die Kameras, die sich hier überall befinden und siehst mich? Oder sitzt du hinter dem verspiegelten Fenster? Oder bist du gar nicht da? Die Ungewissheit ist eine noch größere Qual für mich. Der Weg durch den langen Eingang zu meinem Ziel wird zum Spießrutenlauf für mich und überall sind die Kameras, die jede meiner Bewegungen sehen und festhalten. Und in jeder Sekunde überlege ich, ob du mich siehst und ob du überhaupt da bist.
Wenn ich an dir vorbeilaufe, kann ich dich nicht anschauen. Mein Herz schlägt so laut. Kannst du es hören? Deine Gegenwart schüchtert mich ein, macht mich leise und ich husche an dir vorbei, so schnell ich nur kann. Wie ein verängstigtes Reh fühle ich mich. Deine körperliche Nähe lässt mich beinahe erstarren. Ich warte darauf, dass du mir sagst, was ich tun soll, wann ich mich wieder bewegen, wieder atmen darf. Ohne diese Anweisungen fühle ich mich hilflos in deiner Gegenwart.
Noch immer sitze ich im Auto, kann nicht aufstehen, fühle mich erstarrt.
Ich weiß nicht, ob du mich siehst, kann nur ahnen, was du sein könntest, und dennoch habe ich zum Selbstschutz alle meine hungrigen Gedanken beiseitegeschoben.
Vor einiger Zeit unterlief mir ein Fehler. Nur ein kleiner. Ich habe nicht richtig aufgepasst und fühlte mich zu sicher. In diesem Moment hörte ich hinter mir deinen schroffen Tonfall, mit dem du mich zurechtgewiesen hast. Deine Stimme klang nicht laut. Jemand wie du muss nicht brüllen, um andere für ihre Fehler zu bestrafen. Es war dein Tonfall, den ich so von anderen nicht kannte. Ein Tonfall, von dem ich sonst nur heimlich träumte. Ein Klang, der so viel in mir auslöste.
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