Achtung! Diese Geschichte darf auf keinen Fall gelesen werden, wenn man sich zu Mitternacht alleine in einem Spukhaus aufhält, während eines Gewitters und Stromausfall, mit nichts weiter als einer funzeligen Kerze, die jeden Moment verlöschen kann. Viel Spaß damit!
All Hallows Eve, der Abend vor Allerheiligen, stand vor der Tür. Ursprünglich ein Fest aus Irland und Schottland, wanderte es in die USA und kehrte mit den modernen Medien in verkitschter Form zurück ins vereinigte Königreich. Nun kursierte es unter dem Namen Halloween und brachte allerhand Veranstaltungen und Partys hervor.
Zunächst überraschte es mich, dass Lilith, als Adelsmitglied zur Wahrung alter Traditionen verpflichtet, der modernen Version mit schaurigen Kostümen und Plastikdekorationen so viel Enthusiasmus entgegenbrachte. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass meine teure Freundin einen ganz besonderen Hang zu dramatischen Inszenierungen hatte. Im Rahmen unserer Spiele ängstigte sie mich gerne mit der Zurschaustellung übertriebener Grausamkeit oder ihrer dämonischen Darstellungskraft.
Und ich musste zugeben, diesen angenehmen Grusel ließ ich nur zu gerne über mich ergehen. Der Adrenalinschub passte ausgezeichnet zu unserer gemeinsamen Leidenschaft für Dominanz und Unterwerfung. Auch wenn sie es manchmal übertrieb und mir etwas zu viel Freude daran hatte, wenn mir das Herz vor Schreck aus der Brust springen wollte. Ich mochte diese Schockmomente ebenso wie sie, denn die Verheißung von Folter und Tod verschaffte mir auf unnachahmliche Weise ein Gefühl der Lebendigkeit.
Um ehrlich zu sein, ich hatte selbst eine kleine Tradition entwickelt, um diesen Festtag auf angemessen makabere Weise zu begehen. Überall in meiner Wohnung verteilte ich Kerzen und schaltete das Licht aus, um eine unheimliche Atmosphäre zu erschaffen. Dann machte ich es mir mit heißem Kakao gemütlich und las die Klassiker der düsteren Literatur, zu denen »Die Grube und das Pendel« ebenso gehörte wie Mary Shelleys vorzüglicher Klassiker vom modernen Prometheus. Das war meine Art, die Dämonen des kommenden Winters abzuschrecken.
Zwar bescherte mir dieses schauerliche Vergnügen regelmäßig Albträume. Aber ich erklärte mir dies damit, dass mich böse Geister aufgebracht verließen, erschreckt durch die schauerlichen Geschichten, die ich mir zu Gemüte führte. Nun, das sagte ich mir natürlich nur im Scherz. Obwohl ich einer Menge Phantastereien erlaube, in meinem Kopf herumzuspuken, bin ich doch eine äußerst rationale Person, die Aberglauben und Esoterik nur kopfschüttelnd begegnet. Eine Einstellung, die, das kann ich schon jetzt verraten, bald aufs Gröbste erschüttert werden würde.
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